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KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg


Johannes-Corputius-Pl. 1
47049 Duisburg
Tel.: 0203 283 2640
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-Do, Sa 10.00-17.00 Uhr
Fr 10.00-14.00 Uhr
So 10.00-18.00 Uhr

HEIMAT

06.03.2015 - 22.03.2015

Fokussiert auf ein aktuelles kulturelles oder gesellschaftspolitisches Thema und mit einem selbstbewussten Blick über die Grenzen künstlerischer Sparten hinweg, besitzen die Duisburger „Akzente“ seit über 30 Jahren ein eigenständiges künstlerisches Profil. Ohne seine Tradition zu verleugnen, hat sich das Festival in den letzten Jahren deutlich verjüngt.
Getragen werden die „Akzente“ von zahlreichen städtischen und nichtstädtischen Kultur-Einrichtungen wie dem Theater Duisburg, der Stadtbibliothek, dem Kultur- und Stadthistorischen Museum, dem Filmforum oder dem Wilhelm Lehmbruck Museum. Darüber hinaus kreiert das Festivalbüro der Duisburg Marketing GmbH eigene Produktionen mit Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten. Bespielt wurden in den vergangenen Jahren u.a. Industrielandschaften, vergessene Hafenbecken, versteckte Plätze oder leer stehende Gebäude, Einkaufstempel und Kirchen.
Glaubt man dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch, dann ist das deutsche Wort „Heimat“ nicht in andere Sprachen übersetzbar. Dabei war es – folgt man dem Online-Lexikon Wikipedia - bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein durchaus nüchternes Wort. Es bezeichnete den Ort, an dem man geboren wurde und wo man zumindest ein bisschen Besitz und somit ein Heimatrecht hatte. Besitzlose, so kann man folgern, hatten keine Heimat.
Ein paar Jahrzehnte später war der Begriff offensichtlich schon deutlich stärker emotional und ideologisch aufgeladen. Überall – auch im heutigen Ruhrgebiet – entstanden im späten 19. Jahrhundert Heimatvereine, die die Geschichte, den Dialekt und das lokale Brauchtum pflegen und erhalten wollten. Heimat war in diesem Sinne etwas, das man vor Bedrohung oder gar Untergang schützen musste.
Einer der wesentlichen Gründe für diese Veränderung des Begriffs „Heimat“ war die Industrialisierung. Sie krempelte die Lebensweise von Landbevölkerung, Handwerkern und Kleinbürgern nachhaltig um, griff in die Landschaft ein und machte eine Wanderungsbewegung notwendig, die schon damals international war.
Damit begannen Fragestellungen aktuell zu werden, wie sie die Hamburger Kuratorin und Autorin Ute Vorkoeper 2005 in der „Zeit“ formulierte: Wenn man sich Heimat als einen Raum vorstellt, der Sicherheit und Geborgenheit gibt, ist Heimat dann teilbar oder unteilbar? Kann man eine andere als eine geografische Heimat finden? Wie lässt sich eine alte in eine neue Heimat überführen?
Die Entwicklung des 20 Jahrhunderts sorgte dafür, dass die Diskussion um den Heimatbegriff immer wieder Konjunktur hatte. Kriege, Diktatur, Arbeitsemigration, Vertreibung und Flucht ließen die Debatte um die „Heimat“ bis heute nicht abreißen. Im Juni 2014 zählte das UN-Kommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) 51,2 Millionen Flüchtlinge weltweit, so viel wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Speziell in Deutschland belebte auch die Wiedervereinigung die Debatte um die Heimat.
Den wohl wichtigsten Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion lieferte der 1926 geborene Hermann Bausinger, Nestor der bundesdeutschen Volkskunde und Kulturwissenschaft. Für ihn ist Heimat eine räumlich soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch ein Stück Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfährt, ein Ort tiefsten Vertrauens. „Heimat als Nahwelt, die verständlich und durchschaubar ist, ein Rahmen, … in dem sinnvolles, abschätzbares Handeln möglich ist – Heimat also im Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung,“ schreibt er 1980 in seinen Beitrag „Kulturelle Identität – Schlagwort und Wirklichkeit“ zu dem von Konrad Köstlin u.a. herausgegebenen Band „Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur“.
Die Brockhaus-Enzyklopädie von 1989 versteht Heimat als den Ort, „in dem der Mensch hineingeboren wird, wo die frühen Sozialisationserfahrungen stattfinden, die weithin Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und auch Weltauffassungen prägen.“ Und für die Volkskundlerin Ina -Maria Greverus, Jahrgang 1929, ist Heimat eine heile Welt und nur in der Dreiheit von Gemeinschaft, Raum und Tradition zu finden. Auffällig an den vielfältigen Definitionsversuchen ist, dass Heimat immer als etwas gesehen wird, was unterhalb der Grenzen des Nationalstaates liegt.
Dass Vorstellungen von Heimat gänzlich unberührt von allen intellektuellen Diskussionen entstehen und eine ziemliche Kraft entfalten können, zeigt der Erfolg des deutschen Heimatfilms. In den beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg erzählte er seine Geschichten in einer widerspruchsfreie Idylle bestehend aus schönen Landschaften, urigen Traditionen und kauzigen Dorf-Honoratioren.
Jenseits des traditionellen Bildes von der Heimat lassen sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts neue Vorstellungen von Heimat erahnen. Sicherlich ist es noch kein Massenphänomen, doch Menschen, die einigermaßen zufrieden ihren Aufenthaltsort zwischen Peking, Berlin, Istanbul, Buenos Aires, Mexico City und Tokio verlagern, gibt es genug, vor allem unter Intellektuellen oder Angehörigen der technischen und wirtschaftlichen Intelligenz. Löst sich da der Begriff der Heimat endgültig von einem verbindlichen Ort ab und gewinnt eine veränderte Bedeutung als Zusammenhang von Berufsgruppen oder Menschen mit vergleichbarem Lebensstil? Verlagert sich Heimat gar in digitale Netze? Wird der alte Spruch von Rock’n‘Rollern auf Tournee „Home is where the van is“ bald umgewandelt in „Heimat ist, wo ich WiFi habe“?
Fest steht: Der Begriff „Heimat“ schillert in zahlreichen Facetten und hat im Laufe der Geschichte seine Bedeutung immer wieder verändert. Für die 36. Duisburger Akzente sind die Allgegenwart und die Vieldeutigkeit des Wortes Anlass, sich ganz und gar dem Begriff „Heimat“ zu widmen. Dass es sich dabei auch lohnen kann, sich mit der Zukunft zu beschäftigen, deutet der österreichische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Robert Menasse mit dem im Herbst 2014 erscheinendem Buch „Heimat ist die schönste Utopie“ an. Der Nationalismus und die Nationalstaaten, beides Produkte des 19. Jahrhunderts, werden sterben, so seine These: Nationen sind Betrug, Regionen sind Heimat.

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