12.08.2012 - 11.11.2012
„Bis nach Döben, unterhalb Grimmas, ist das Muldenthal ausgezeichnet schön und vereinigt in sich grandiose und höchst liebliche Bilder, wogegen es alles Rauhe, Wilde und Düstere der Muldenthäler im Gebirge ausschliesst.“, schwärmt Otto Moser in seinem 1885 erschienenen „Führer durch das ganze Mulden-Thal“. Diese reizvolle Gegend inspirierte viele Maler, die Landschaft in ihren Gemälden festzuhalten. Der unterschiedliche Blick einzelner Künstler ließ interessante Ansichten des idyllisch in der Talaue gelegenen Flusses entstehen, die nicht an die unberechenbare Mächtigkeit der Natur unserer Mulde erinnern wollen.
Über Jahrhunderte wurde Grimma von immer wiederkehrenden Überschwemmungen heimgesucht. Bevorzugt im Sommer, nach starken Regengüssen im Quellgebiet oder anhaltendem Landregen, und im Winter, wenn durch plötzliche Temperaturschwankungen Schneeschmelze einsetzte, überfluteten aus dem Gebirge kommende Wassermassen die Stadt. Die Siedlungslage in einem engen Becken und die Felswand am rechten Ufer der Mulde begünstigen, dass die Wasserfluten geradezu in die Stadt hineingedrückt werden.
Bis ins 15. Jh. war Grimma aufgrund seiner zwei Meter tieferen Lage bei 126m über NN weit mehr als jetzt ansteigenden Fluten ausgesetzt. Der damals höchste Punkt der Stadt, der die Frauenkirche trägt, blieb vermutlich oft unberührt. Heute steigt man mehrere Stufen in die Kirche hinab, da der Fußboden im Inneren unter Pflasterhöhe liegt.
In den sorgfältigen Aufzeichnungen des Stadtchronisten Lorenz sind aufschlussreiche Flutberichte zu finden:
1306 riss ein Hochwasser ein großes Stück der Stadtmauer und 16 Häuser auf dem Alten Markte (Baderplan) ein. Nach Überschwemmungen im Juli und August 1315 wurde die Klosterkirche, im April und Mai 1355 wurden beide Mühlen zerstört. Im 15. Jh. folgten 15 Hochfluten, besonders unheilvoll 1432 mit der Vernichtung der Brücke und der Stadtmauer und 1433 mit nochmaliger Zerstörung großer Teile der Stadtmauer, beider Mühlen und des Leipziger und Pappischen Tores mit Brücken und Bollwerken. Das Jahr 1573 brachte die vermutlich stärkste Flut des 16. Jh. Begünstigt durch den von der Mulde gespeisten Stadtgraben „… drang das Wasser zu allen Toren in die Stadt und stand darin 3 Ellen hoch…“ Im 17. und auch im 18. Jh. werden hauptsächlich zwei starke Überschwemmungen erwähnt. „Mit dem Neujahr 1733 trat Tauwetter ein und am 2. Januar entstand eine große Eisfahrt. Das Eis blieb an der Brücke stehen und türmte sich so hoch auf, dass man die Pfeiler nicht mehr sehen konnte. Das Wasser erreichte infolgedessen zwischen Wehr und Brücke fast die Höhe der Stadtmauer…“ Vom 5. Juni bis zum 1. Juli 1771 drang die reißende Mulde mit großer Heftigkeit mehrmals in die Stadt und ließ das Wasser in den Häusern bis zur Decke steigen. Alle Gebäude in der Stadt waren beschädigt, einige eingestürzt. Die meisten Bäcker konnten nicht mehr backen. Der Bürgermeister bat die Rittergutsbesitzer der Umgebung um Brot, um die größte Not lindern zu können. Hinter diesem Hochwasser blieb die Flut von 1897 nur um ein Weniges zurück. „Das Rathaus stand (wieder) vollständig im Wasser...“
Bis 1897 existierte für den Bezirk der Amtshauptmannschaft Grimma ein Verband der Besitzer von an der Mulde gelegenen Wassertriebwerken, der bei Hochwasser unterhalb gelegene Ortschaften über die Pegelstände unterrichtete. Dieser Dienst versagte aber sehr oft, da die Meldungen nur aus Gefälligkeit weitergegeben wurden. Aufgrund der großen Flutschäden an Fluren und Ortschaften im Jahre 1897 wurde auf Veranlassung des Ministeriums des Inneren der Hochwasserbeobachtungs- und Meldedienst innerhalb Sachsens gesetzlich geregelt. Es wurden Pegel-, Gefahrenmarken- und Niederschlagsmessstationen eingerichtet, deren Daten an zentrale Stellen gemeldet werden mussten. Doch auch diese Maßnahmen konnten spätere Hochwässer und deren Folgeschäden nicht verhindern.
Im Sommer 1954 gondelten, die Gefahren eines so starken Hochwassers vergessend, Kinder mit Kähnen über den Marktplatz. Noch einmal, 2002, zeigte die bisher größte Flut der Mulde deutlich, wie wichtig ein funktionierendes Frühwarnsystem für die Menschen der nah am Fluss gegründeten Ortschaften ist.
In dem Maße, wie die Natur Grundlage unserer Existenz ist, und solange wir glauben, natürlichen Begebenheiten entgegenwirken zu dürfen, wird sie aber immer die Gefahr möglicher Zerstörung in sich tragen.