19.09.2012 - 14.10.2012
Obwohl von eher kleiner Statur, ist sie im Stadtbild Berns aufgefallen: Grell gefärbtes Haar, schwere Lederjacke, in Begleitung ihres Mops, und mit einer Stimme und einem Lachen, die ebenso unüberhörbar wie unverkennbar waren. Marie-Louise von Wattenwyl, die sich Marja Tatjana Alexandrovna nannte, wollte laut sein. Punk war eine ihrer Lebenshaltungen. Aber das war die eine Seite. «Ihr teil brachiales Auftreten ist nur Tarnung», schrieb der Regisseur Samuel Schwarz, der einmal ihr Nachbar war und in ihrer kleinen Mansarde ein «ehrfürchtiger Gast»: «Ihre tiefen Kenntnisse der Weltreligionen, ihre langjährige Auseinandersetzung mit dem Holocaust haben mich fasziniert.»
Die ganz im Geist der adligen Abstammung ihrer Familie erzogene, am 16. August 1943 geborene Marie-Louise von Wattenwyl machte eine Lehre als Tierpräparatorin im Naturhistorischen Museum Bern. Den Zeichenstift zu führen lernte sie beim Tier- und Naturzeichner Hans Schwarzenbach – prägende Figur für Generationen von Grafikern und Künstlerinnen. Wie ihr Bruder – der um ein Jahr ältere Peter von Wattenwyl – entschied sie sich für die Kunst. Beim Berner Surrealisten Serge Brignoni verfeinerte sie ihre Technik. Als «abstrakten, weichen Expressionismus» bezeichnete der Kunstkritiker Walo von Fellenberg ihr frühes Schaffen, im Gegensatz zum späteren, «erzählenden Stil». Abstraktion und Gegenständlichkeit sind oft gleichzeitig zu finden in ihren Bildern, übereinander gelegt oder im Wechselspiel der Formen. Aus dieser Spannung schöpfen die Bilder ihre Symbolik und ihre kleinen und grossen Geheimnisse. Marie-Louise von Wattenwyl verstarb, 66jährig, am 11. Dezember 2009.
Der Kulturmanager Baldy Minder und der Regisseur und Schauspieler Angelo Nef haben den Nachlass der Künstlerin zu einem grossen Teil übernehmen können. Die Ausstellung „Marie-Louise von Wattenwyl – Ein Berner Künstlerinnenleben“ auf der Galerie des Kornhausforums zeigt Bilder aus allen Schaffensperioden, Skizzen, Entwürfe, Tagebücher und Fotos. Die Bilder sind mehrheitlich verkäuflich.