15.03.2008 - 08.06.2008
Zum ersten Mal zeigt das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum eine Auswahl aus seiner hochwertigen und umfangreichen Schiffsmodellsammlung. Zu sehen sind detailreiche historische Werftmodelle, charmante Seemannsarbeiten, ungewöhnliche Souvenirs und wertvolle Silbermodelle.
Schiffsmodelle gehören zu den beliebtesten Exponaten in Schifffahrtsmuseen. Trotzdem dienen sie oft nur als dekoratives Beiwerk. Nicht die Modelle selbst, sondern die Schiffe, die sie darstellen, stehen meist im Mittelpunkt des Interesses. Anders in der neuen Ausstellung: In den historischen Räumen des Warleberger Hofs stehen mit der Präsentation von rund 60 ausgewählten Glanzstücken die Modelle selbst im Vordergrund. Sie werden ergänzt durch großformatige Fotografien, die Bau und Einsatz der Schiffe dokumentieren.
Die Schiffsmodelle-Sammlung des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums umfasst mehrere hundert Modelle im Maßstab 1:1 bis 1:1250. Die ältesten stammen aus dem 19. Jahrhundert, die Vorbilder für die schönen Stücke sind sogar bis zu 500 Jahre alt. Damit repräsentiert die Sammlung die Schiffbau- und Modellbaugeschichte an der Kieler Förde und darüber hinaus. In der Ausstellung werden zwei wichtige Bereiche der Sammlung besonders hervorgehoben: Die Sammlung Grimm und Modelle aus Kiel.
Die Sammlung Grimm war in den 1970er Jahren der Grundstock für das Kieler Schifffahrtsmuseum. Der Hamburger Sammler Dr. Klaus Grimm war auf maritime Antiquitäten spezialisiert. Seine hochwertige Sammlung ist leider unzureichend dokumentiert, wodurch der Aussagewert vieler Objekte zumindest teilweise verloren ging - kein untypischer Fall einer privaten maritimen Sammlung. Gerade die Herkunft einiger der ältesten und kulturgeschichtlich interessantesten Objekte, etwa ein so genanntes Votivschiff - die Diane, die in der Fischhalle von der Decke hängt - oder das chinesische Silbermodell einer Dschunke, liegt daher völlig im Dunkeln.
Grimm war nicht nur Sammler von Schiffsmodellen, er war auch selbst Modellbauer und stand in den 1960er Jahren in engem Kontakt mit Kieler Modellbauern und dem Museumsreferat. Er engagierte sich für die Gründung eines städtischen Schifffahrtsmuseums, für das es damals bereits Planungen gab. Als das Museum 1978 die historische Fischhalle als Ausstellungsraum bezog, gingen große Teile seiner Sammlung, darunter die meisten seiner etwa 40 historischen Schiffsmodelle, als Schenkungen oder Dauerleihgaben als „Sammlung Grimm" an das neue Museum. Seit 1986 gibt es zudem den Grimmpreis. Er wurde zunächst alle zwei Jahre als Modellbau-Wettbewerb ausgelobt und dient seit 1990 dem regelmäßigen Ankauf von Schiffsmodellen.
Die Kieler Modellbau-Szene ist mit einigen Klassikern wie Francis Drakes Galeone „Golden Hind", 1965 im Maßstab 1:100 nachgebaut, vertreten. Der Jugendmodellbau-Club „Wiking" in Kiel wurde in den 1950er Jahren gegründet, war in den modellbaubegeisterten 1960er Jahren besonders aktiv und bestand bis in die 1980er Jahre im kleinen Kreis weiter. Der Club traf sich von 1961 an regelmäßig in der Jugendherberge in Gaarden. Seine Mitglieder hatten zum großen Teil Berufe aus dem Bereich des Schiffbaus gelernt - hier trafen also Professionalität und Begeisterung aufeinander. Der Sammler Klaus Grimm war eines der Gründungsmitglieder, kam immer wieder aus Hamburg zu Besuch und beteiligte sich an der Arbeit des Clubs. Der Modellbau-Club organisierte auch Ausstellungen von Modellen aus der Sammlung Grimm und eigenen Arbeiten. Viele der hochwertigen Modelle, die im Kontext der Kieler Modellbau-Clubs entstanden, sind heute Teil der Kieler Sammlung.
Die Schiffsmodelle werden in der Sonderausstellung wie im dazu erschienenen Katalog als eigenständige museale Objektgruppe vorgestellt, die Antworten auf schifffahrts-, stadt- und kulturgeschichtliche Fragen geben. Schiffsmodelle können nämlich ganz unterschiedliche Entstehungshintergründe und Verwendungszwecke im Schiffbau und in der Seefahrtsgeschichte haben.
Werftmodelle dienten den Schiffbauern als Vorlagen, aber auch als repräsentative Geschenke an ihre Auftraggeber. Ein nüchternes Konstruktions-Halbmodell des Eisbrechers „Hanse" von 1963 oder ein detailreiches Vollmodell des 1955 von den Howaldtswerken für die UdSSR gebauten Fischfabrikschiffs „Chabarovsk" veranschaulichen den besonders wichtigen Typus des Werftmodells.
Der zweite Bereich sind die „Seemanns"-, Schmuck- und Andenkenmodelle. Dieser Abschnitt füllt den gesamten großen Raum im Obergeschoss des Warleberger Hofs. So genannte Seemannsmodelle, oft von exotischer Herkunft oder originell gestaltet, gelten im Gegensatz zu den Werftmodellen als Volkskunst oder Hobby-Erzeugnisse. Sie waren als Geschenk, vielleicht auch für den Souvenir-Handel gedacht. Die Ausstellung zeigt zu diesem Thema unter anderem Buddelschiffe des Holtenauer Schleusenmeisters Paul Grossins, der mit seinem Hobby überregional bekannt wurde. Auch edle Silbermodelle wie ein Schreibset des Kleinen Kreuzers „Irene" der Kaiserlichen Marine (1888) sind zu sehen.
Anschließend führt der Rundgang durch die Ausstellung zu Exponaten, die die Sammlungsthemen abbilden: Kriegsschiffbau, Windjammer, Segelsport und Schifffahrt auf der Förde. Die hier überwiegend gezeigten Museumsmodelle von Profis oder von Hobbymodellbauern vom Ellerbeker Fischerboot bis zum Fahrgastschiff „Tom Kyle" vermitteln in ihrer Detailtreue und liebevollen Ausgestaltung die Faszination des Modellbaus. Maßstabgetreue Torpedoboote, Großsegler, Yachten, Fährschiffe oder Fördedampfer geben eine Vorstellung von Geschick und Ausdauer der Modellbauer und hinterlassen einen prägenden Eindruck bei den Besuchern.
Viele der Exponate, die seit langem zum Sammlungsfundus des Museums gehören, können jetzt zum ersten Mal präsentiert werden, andere - wie das eindrucksvolle anderthalb Meter lange Fünfmast-Vollschiff „Preußen" von einem Kieler Hobby-Modellbauer - waren schon im Schifffahrtsmuseum zu sehen. Die beachtliche Modellflotte in der Schausammlung in der Fischhalle bleibt auch während der Sonderausstellung im Warleberger Hof an ihrem Platz und lädt zu einem zusätzlichen Besuch ein.