In der Ausstellung »Talmud-Tora-Schule Hamburg zwischen gestern und heute« der Hamburger Fotokünstlerin Gisela Floto geht es um zerstörtes und wieder erstandenes jüdisches Leben in Deutschland. Seit sieben Jahren gibt es in der Joseph-Carlebach-Schule am Hamburger Grindel wieder einen Schulbetrieb. Hier fand sich vorher die Talmud-Tora-Schule, die die jüdische Gemeinde Hamburg von 1805 bis 1942 unterhielt, seit 1911 im heute noch erhaltenen Gebäude direkt neben der Synagoge am Bornplatz, die fünf Jahre zuvor eingeweiht worden war. Zeitweise wurden bis zur Hälfte aller jüdischen Jungen in Hamburg hier unterrichtet. Im Mittelpunkt stand der religiöse Unterricht, die allgemeinbildenden Fächer wurden aber nach und nach erweitert. Die benachbarte Synagoge war vor 75 Jahren geschändet worden und musste 1940 abgerissen werden. Während der reichsweiten Pogrome 1938 wurden alle Lehrer verhaftet. Nur drei Lehrer und 76 Schüler überlebten die Shoah – 33 Lehrer hatten 1937 noch über 800 Schüler unterrichtet!
Mit den Überlebenden hat die Künstlerin Gisela Floto Kontakt aufgenommen und unzählige Antworten erhalten. Dieser Briefwechsel, den interessierte Besucher auch lesen können, stellt die Grundlage der künstlerischen Beschäftigung mit der Talmud-Tora-Schule dar. Künstlerische Fotografien der alten Schule mit heutigen Schülern sollen die Verbindung mit der lebendigen Vergangenheit herstellen. Namensgeber der heutigen Schule ist Joseph Carlebach, der 1921 Rektor der Talmud-Tora-Schule und 1926 Oberrabbiner von Altona wurde, der preußischen Großstadt, die auch für die Rendsburger Gemeinde Bezugspunkt war.
Die frühere Synagoge (1844/45 erbaut) mit Mikwe (Ritualbad) und die Talmud-Tora-Schule aus den 1830er Jahren beherbergen seit 1985 bzw. 1988 das einzige Jüdische Museum nördlich von Berlin – seit 2002 Teil der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen. Während im ehemaligen Betsaal und in den Ergänzungsbauten am Hof Veranstaltungen und Wechselausstellungen stattfinden, sind in den Nebenräumen der Synagoge und im Schulgebäude die ständigen Sammlungen ausgestellt, nämlich die Ausstellung zu Künstlern, die als Juden verfolgt wurden, und die Dokumentation zur Geschichte des Judentums in Schleswig-Holstein. Auf der Frauenempore und in der ehemaligen »Wintersynagoge« nebenan beschäftigt sich eine weitere Sammlung mit der religiösen Kultur. In der Folge der Pogromnacht von 1938 musste die Synagoge an eine Fischräucherei verkauft werden. Nach der Restaurierung erhielt das Haus 1985 den Namen des Rendsburger Arztes Dr. Ernst Bamberger, der als Jude verfolgt und in den Selbstmord getrieben worden war.
Die auf dem Augustenhof an der Ostsee aufgewachsene Künstlerin Gisela Floto startete ihre Karriere nach dem Studium der Fotografie in Berlin in den 80er Jahren zunächst als Fotojournalistin und arbeitete für renommierte deutsche Zeitschriften und Journale. Reisereportagen führten sie dabei nach Afghanistan, Pakistan, Fidji und Mali. Ab 1991 stand konzeptionelle Fotografie im Mittelpunkt ihres Schaffens. Zentrale Themen der Arbeiten von Gisela Floto sind Mensch, Natur und Umwelt – und immer wieder Portraits der Lebenswelten von Frauen. Beruflich ist sie der Stadt Hamburg verbunden, so hatte sie in der Vergangenheit u.a. die Ausstellungsleitung im Forum für Fotografie des MKG inne sowie eine Dozentur an der Universität Hamburg für Bildjournalismus. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.