21.07.2012 - 28.10.2012
In seiner Dauerausstellung geht das Internationale Zeitungsmuseum intensiv auf das Thema des Bildes in den Medien ein. Sowohl als erläuterndes, als illustratives aber auch als täuschendes Element wird das Thema der Macht der Bilder betrachtet. Seit es die Technik erlaubt, sind Fotos Teil der Medien. Das Bild als Mittel zur Veranschaulichung hat sogar eine Jahrtausende zurückreichende (Medien-) Geschichte. Der Siegeszug des Fotojournalismus begann in den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Neben Bildern zu aktuellen Ereignissen, die in Zeitungen auftauchten, gab es auch Fotografien, die gleichsam das Panorama der weiten Welt vor dem Auge des Betrachters entfalteten.
Henri Cartier-Bresson beschäftigte sich seit 1930 intensiv mit der Fotografie. Auf seinen vielen Reisen gemachte Aufnahmen wurden in zahlreichen Medien abgedruckt, aber auch in Ausstellungen präsentiert. Er wuchs in begüterten Verhältnissen als Sohn eines Textilfabrikanten in der Normandie und in Paris auf. Das berühmte Lycée Condorcet verließ er ohne Abschluss und studierte danach zwei Jahre lang Malerei. Während des Spanischen Bürgerkrieges (1936 – 1939) bereiste Cartier-Bresson das Land und arbeitete an Filmaufnahmen mit über Verwundete, aber auch über eine amerikanische Brigade mit. Seine Beschäftigung mit dem Medium Film gipfelte in seiner Arbeit als Regieassistent bei Jean Renoir, für den er fast drei Jahre tätig war. Der Zweite Weltkrieg brachte Cartier-Bresson die leidvolle Erfahrung der Gefangenschaft. Nach fast drei Jahren als Kriegsgefangener der Deutschen gelang schließlich die Flucht aus einem Lager. Es folgte die gefahrvolle Zeit als Angehöriger der Résistance. Es wurde damals fälschlicherweise berichtet, er wäre im Krieg gefallen. So plante das MoMa in New York bereits eine Retrospektive, an der, nach Aufklärung des Missverständnisses, auch Cartier-Bresson persönlich mitarbeitete. 1947 war er neben Robert Capa, David Seymour und George Rodger Mitgründer der Agentur Magnum. In den folgenden Jahren unternahm Cartier-Bresson zahlreiche Auslandsreisen, u.a. nach Indien und China und schließlich – in die Sowjetunion. Im Jahre 1955 ist Cartier-Bresson der erste Fotograf, der im Louvre in Paris, der bis dato der bildenden Kunst allein vorbehalten war, ausstellen darf. Seine Tätigkeit als Fotograf fand 1972 ein Ende und Cartier-Bresson widmete sich fortan dem Zeichnen. Ein Jahr vor seinem Tod im Jahre 2004 gründete er die Fondation Cartier-Bresson, die den Nachlass verwaltet und Ausstellungen ermöglicht.
Die Sowjetunion war zum Zeitpunkt der Reise Cartier-Bressons ein dem Westen weitgehend unbekanntes Land. Jenseits des Eisernen Vorhangs gelegen, war im Kalten Krieg der Blick auf dieses Riesenreich verstellt. Nach den Jahren des verheerenden Wütens deutscher Besatzer und dem Verlust von fast 20 Millionen Menschenleben im sog. "Großen Vaterländischen Krieg", war die Sowjetunion einer der Antagonisten im Kalten Krieg. Der allmächtige Führer Stalin entfaltete einen ungeheuren Personenkult und machte das Land zu einem totalitären Staat. Die UDSSR wurde von einem Terrorregime unterdrückt. „Säuberungen“, also das gezielte Töten von (vermeintlich) oppositionellen Kräften, von unerwünschten Volksgruppen, oder Verrätern, waren an der Tagesordnung. Gleichzeitig war die Sowjetunion zu einem Fluchtpunkt für Sehnsüchte geworden, zu einem Ideal derer, die dort eine gerechtere Gesellschaft entstehen und den Kommunismus verwirklicht sahen. Im Jahre 1953 starb Stalin und während der Regentschaft seines Nachfolgers, Nikita Chruschtschow, kam es zu einer allmählichen Abkehr der UDSSR vom Stalinismus. In genau diese spannende Phase fällt die Ausstellung. Henri Cartier-Bresson war der erste ausländische Fotograf, der nach dem Tode Stalins das Land bereisen durfte.
Menschen stehen im Vordergrund, nicht die politischen Verhältnisse. In Zeitschriften zeigt sich dann auch ein anderer Fokus in USA und Europa: in den USA standen Bilder im Vordergrund, die Hinweise auf Mangelwirtschaft und Probleme in der sowjetischen Gesellschaft offenbaren sollten. Tagesaktuell waren die Bilder nicht. Es dauerte zum Teil recht lange, bis die Fotos entwickelt und Abzüge gemacht waren. Aus diesem Grund finden sich die Fotografien auch eher in Zeitschriften und Magazinen als in Zeitungen.
Die Fotos von Henri Cartier-Bresson sind nicht nur Geschichtsdokumente, die Bildästhetik und die Bildgestaltung treten deutlich hervor und geben einen Einblick in die Denk- und Arbeitsweise des Fotografen.