Filmen in Architekturarchiven wohnt eine gewisse Diskrepanz inne, insofern sie zwar wie die anderen Dokumente in den Inventaren aufgeführt sind, in der Geschichtsschreibung – quasi der Konstruktion von historischen Narrativen – jedoch weitestgehend aussen vor gelassen werden. Moving Constructions kehrt dieses Verhältnis um, indem fünfzehn Filme aus dem gta Archiv ausgestellt werden, um die Wechselbeziehungen zwischen Film, Architektur, Archiv und Historiographie kritisch zu reflektieren. Architekturgeschichte basiert hauptsächlich auf „stillen“ Objekten: Schriften, Skizzen, Fotografien, Plänen und Modellen. Zählen Filme zwar ebenfalls zu Wissens- und Erinnerungsspeichern, sind sie gleichzeitig fragile Materialien, die besondere Sorgfalt und Ressourcen für ihre Konservierung und Handhabung fordern. Dies führt nicht zuletzt dazu, dass bewegte Bilder im Architekturdiskurs oft übersehen werden.
Ausgehend von diesen Beobachtungen hat ein Team von Historiker*innen des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur (gta Institut) der ETH Zürich ein Forschungsprojekt im gta Archiv initiiert, das in der Ausstellung gta films für die Jubliäumsfeierlichkeiten zum 50 jährigen Bestehen des Instituts im Jahre 2017 resultierte. Bewusst ausgewählte Filme wurden an unterschiedlichen Orten des Architekturdepartements D-ARCH gezeigt. So wurden die täglichen Nutzer*innen des Gebäudes dazu anregt, über die Bedeutung von Film sowohl für Architekt*innen als auch für eine kritische Geschichtsschreibung nachzudenken.
Moving Constructions präsentiert gta films in einem neuen Kontext. Das lineare und nicht hierarchische Display im Ausstellungsraum Garagem Sul lädt dazu ein, diese Archivmaterialien auf selbstgewählten mäandrierenden Pfaden und Wegen zu entdecken. Dabei bekommen die Besucher*innen Einblicke in das weite Feld der Filmwelt des 20. Jahrhunderts: Vom wegweisenden Architects’ Congress von László Moholy-Nagy, der die vierte Konferenz der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) aufzeichnete, über Bauprojekte wie die Schweizer Landesausstellung in Lausanne von 1964; von Bildern für Variel, einer Schweizer Firma, die für ihr Präfabrikationssysteme auch gerade dank ihrer Gebrauchsfilme auf der ganzen Welt Absatzmärkte generierte, zu Interviews mit Schweizer Architekten wie Alfred Roth und Rudolf Olgiati; von Dokumentarfilmen zum Bauhaus, bis hin zu Besuchen in Chicago während der Zwischenkriegszeit sowie siebzig Jahre später. Die Ausstellung versteht diese filmischen Dokumente als historische und institutionelle Zeugnisse, die es wert sind, entdeckt, analysiert und erhalten zu werden. Somit plädiert die Ausstellung für die Relevanz von bewegten Bildern für die Geschichte und Theorie der Architektur. Ausgehend von einer spezifischen Auswahl von Filmen, die im Archiv einer Architekturschule aufbewahrt werden, regt Moving Constructions dazu an, disziplinäre und geographische Grenzen zu überwinden sowie den problematischen Status von Filmen in Architekturarchiven zu hinterfragen.
Organisation: Garagem Sul im Centro Cultural de Belém; Lab2PT. Auftraggeber: André Tavares. KuratorInnen: Andreas Kalpakci, Jacqueline Maurer, Daniela Ortiz dos Santos. Kollaboration: gta Institut der ETH Zürich. Unterstützt durch: Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.