Das Werk des legendären französischen Fotografen Guy Bourdin (1928–1991) wird vom 1. November 2013 bis 26. Januar 2014 im Haus der Photographie der Deichtorhallen Hamburg präsentiert. Die bisher umfangreichste Guy Bourdin-Ausstellung stellt sowohl eine Auswahl der beeindruckendsten Modestrecken und Kampagnen Bourdins vor, als auch bisher unveröffentlichtes Material aus seinem persönlichen Archiv. Zum ersten Mal sind sein malerisches Werk und seine filmischen Notizen der Öffentlichkeit zugänglich. Darüber hinaus werden Polaroid-Fotos, Skizzen und Texte sowie Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1950ern präsentiert, die Künstlerporträts und Pariser Stadtansichten zeigen. Die Ausstellung zeichnet damit nicht nur das fotografische, malerische und filmische Gesamtwerk Bourdins nach, sondern gibt auch Einblicke in die Arbeits- und Denkweise dieses visionären Image-Makers.
In seiner über 50-jährigen Schaffenszeit hat Bourdin für die führenden Modehäuser und -magazine gearbeitet. Mit dem Blick eines Malers schuf er komplexe Bilder, die in unglaublichen Kompositionen faszinierende Geschichten in Schwarz-Weiß und Farbe erzählen. Er war einer der ersten Fotografen, der in Werbe- und Modefotografien anstelle eines Produkts eine Erzählung zum Bildinhalt erhob. Mit dem Medium der Modefotografie vermittelte er seine Botschaft und erforschte die zwischen dem Erhabenen und dem Absurden changierenden Bereiche. Berühmt für seine narrativen Bildinhalte und seine surreale Bildsprache, die Verbindung einfacher Objekte mit mehrdeutigen, oft rätselhaften Subtexten, brach Bourdin radikal mit allen Konventionen der Mode- und Werbefotografie.
Guy Bourdins Karriere begann in den 1950er Jahren mit schwarz-weißen Modeaufnahmen für die Pariser Vogue. Es ist nahezu unbekannt, dass die Hälfte von Bourdins Œuvre aus Schwarz-Weiß-Fotografien besteht, die ebenso kraftvoll sind, wie seine bekannten Farbaufnahmen. Diese Farbfotografie steigerte er mit dramatischen kompositorischen Akzenten und intensiver Farbsättigung zur maximalen Ausdruckskraft.
»Guy Bourdin fegte sämtliche Schönheitsnormen, sittliche Gepflogenheiten und ordentliche Produktdarstellungen mit einem Strich respektlos weg. Rund um den weiblichen Körper baute er visuelle Verstörungen ein, das Empörende, das Haarsträubende, das Indiskrete, das Hässliche, das Scheitern, das Fragment, die Abwesenheit, den Torso und den Tod, – die gesamte Spannung und Spannweite des Außerästhetischen und Außermoralischen«, so Ausstellungskurator Ingo Taubhorn. Minutiös erforscht Bourdin die Variablen der Modefotografie, zwischen plakativem Posing und subtiler Performance, komplexer Inszenierung und neuartig verstörender Bildauffassung.
Guy Bourdins Bilder veränderten nicht nur den Lauf der Modefotografie, sondern beeinflussten auch zahlreiche zeitgenössische Künstler, Fotografen und Filmemacher. Es steht außer Frage, dass Bourdins Arbeit für die Vogue und seine innovative Werbung für Charles Jourdan in den 1970er Jahren heute auch im Kontext der Gegenwartskunst gelesen werden kann. Seine Arbeiten befinden sich in den Sammlungen so bedeutender Institutionen wie dem MoMA in New York, dem Getty Museum in Los Angeles, dem SFMOMA in San Francisco und dem Victoria and Albert Museum, London.
Die große Guy Bourdin-Retrospektive im Haus der Photographie wird durch eine Auswahl von rund 40 Werken aus der Sammlung F.C. Gundlach ergänzt, die sich thematisch-inhaltlich an das Werk von Guy Bourdin anlehnen. Die von Sabine Schnakenberg kuratierte Kabinettausstellung »En compagnie de Guy Bourdin« setzt sich mit drei assoziativ mit dem Werk Bourdins verwobenen zeitlichen Abschnitten auseinander. So umreißen die Arbeiten von Man Ray und Edward Weston - die Bourdins Werk beeinflusst haben - aber auch Dora Maar, Erwin Blumenfeld, Horst P. Horst, George Platt-Lynes und Harry Meerson diese Thematik aus einem eher als historisch zu begreifenden Blickwinkel.
Zeitlich parallel zu Bourdins Wirken produzierten Helmut Newton, Deborah Turbeville, Chris von Wangenheim, William Klein, aber auch Charles Wilp und Melvin Sokolsky Modeaufnahmen, die auch von der inspirierenden Kraft der 1960er und 1970er zeugen. Schließlich präsentieren zeitgenössische Fotografen wie David LaChapelle und Tim Walker, aber auch Ellen von Unwerth, Kristian Schuller, Armin Morbach und Olaf Martens Bildlösungen, die ein tiefes bewusstes und unbewusstes Wissen um die Bilder Bourdins voraussetzen, um zu eigenwilligen spielerischen Erweiterungen zu gelangen.