Wie wurden Europäer*innen in der Kunst der Kolonisierten dargestellt? In seinem Buch The Savage Hits Back or the White Men through Native Eyes (1937) versammelte der Kölner Museumsdirektor und Ethnologe Julius Lips (1895–1950) Darstellungen, die den Europäer als „exotischen“ und barbarischen Fremden zeigen. Von den Nationalsozialisten ins Exil getrieben, entdeckte Lips in den Objekten eine subversive Kritik am „Kolonialherren“. Lips‘ antikoloniale und antifaschistisch Polemik wirkt angesichts gegenwärtiger Debatten um kolonialzeitliche Sammlungen höchst aktuell.
Da die hybriden Kunstwerke in der Forschung lange nicht als authentisch galten, wurde eine von Lips geplante Ausstellung auch nach dem Nationalsozialismus nie realisiert, bis Teile seiner Sammlung zum ersten Mal im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) in Köln 2018 ausgestellt wurden. Dabei legen die Darstellungen europäischer Soldaten, Kolonialbeamter, Missionare und Händler, europäischer König*innen aber auch indigener Akteur*innen in europäischer Kleidung eine transkulturelle Verflechtungsgeschichte kolonialzeitlicher Kunst offen.
Die Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt greift Lips‘ Perspektivwechsel auf und fragt nach den Folgen dieser ersten „inversiven Ethnographie“ für die Ethnologie. Die ausgestellten Objekte und Fotografien thematisieren frühe Kontaktgeschichten, den Eingang europäischer Warenwelten in lokale Mythen und Rituale, die Geschichte von Handelsbeziehungen, Mission und kolonialer Kriege. Die Europäer*innendarstellungen wurden auch gezielt für den westlichen Markt als Souvenirs produziert; die kommerzialisierte Form einer frühen „tourist art“. Sie zeugen nicht nur von Widerstand, sondern auch von Kooperation, Innovation und Medienzirkulation.
Während die Provenienz der Objekte bei Lips genauso im Dunklen bleiben wie die Namen der indigenen Künstler*innen, lassen sich die Biografien von den heute wieder entdeckten Künstlern Tommy McRae und Thomas Onajeje Odulate rekonstruieren. Die Ausstellung gibt einen Überblick über ihr Werk und ihre Biographien und zeigt ihre Relevanz als Zeitgenossen der europäischen Moderne. Ihre innovative Bildsprache unterläuft die Dichotomien von primitiv und modern und stellt damit die Ästhetiken und Narrative von Ethnologie und Kunstkritik und die Verhärtung eines Kanons „primitiver Kunst“ seit 1900 zur Disposition.