Ulrike Ottinger, die Filmemacherin, Fotografin und Weltensammlerin, führt uns mit ihrer Ausstellung Paris Calligrammes in die 60er Jahre, als sie in Paris als freie Künstlerin lebte und arbeitete. Die Basis der Ausstellung sind ihre Filme und Recherchematerialien, angereichert und kommentiert durch Objekte aus ihrem persönlichen Fundus: eine begehbare Collage, deren Installation zum Verweilen und Flanieren einlädt.
Ulrike Ottinger verwebt ihre persönlichen Erinnerungen an die Pariser Bohème und die gravierenden sozialen, politischen und kulturellen Umbrüche der Zeit zu einem filmischen „Figurengedicht“. In der Tradition des Flaneurs sucht sie Orte auf, die für sie persönlich wie auch für die 1960er Jahre bedeutsam waren. In der von Fritz Picard geführten Librairie Calligrammes trifft sie deutsche und französische Avantgardisten aus Literatur und Kunst. Die Cinémathèque Française wird für sie zu einem besonderen Anziehungspunkt. Hier sah sie Filme der französischen Nouvelle Vague, der Independents aus den USA, Unbekanntes aus asiatischen Ländern, den Sowjetrepubliken, Afrika, dem Maghreb und auch Filmhistorisches. Ihre Liebe zum Kino war entbrannt. Paris war zu dieser Zeit nicht nur Treffpunkt der Intellektuellen und Künstler aus aller Welt, sondern wurde auch von dekolonialen Bewegungen und politischen Umbrüchen erfasst. Hinzu kamen ab Mitte der 60er Jahre die Studentenproteste gegen Vietnamkrieg und Rassendiskriminierung. Ulrike Ottinger beschreibt, wie sie diese Zeit des künstlerischen, politischen und sozialen Aufbruchs erlebte.
Mit dem ihr eigenen, künstlerisch-ethnografischen Blick verknüpft sie die historischen Berichte, Erkenntnisse und bildlichen Darstellungen mit ihren persönlichen Reisenotizen und Aufnahmen. So berühren sich Vergangenheit und Gegenwart im Film, werden historische und kulturelle Veränderungen deutlich. Ein Spannungsverhältnis entsteht zwischen damals und heute, das zeigt, wie untrennbar beides zusammengehört.