Ina Weber (1964, Diez a.d. Lahn) sammelt öffentliche Gebäude, die sie zu Architekturplastiken verkleinert. Die Bildhauerin greift Bauwerke aus dem urbanen Raum auf, die für Aufbruch, Mobilität und Modernität stehen: Industriearchitektur nach 1890, Bauhausarchitektur der 20er Jahre, 60er Jahre Moderne in Ost und West, Plattenbauten, Tankstellen, Schwimmbäder, Casinos, aber auch Haltestellen oder Fußgängerzonen mit 70er Jahre Mobiliar. Ihre Arbeiten erscheinen wie Modelle und sind doch auf die eigene Körpergröße reduzierte Plastiken, die nach eigenen Fotografien entstehen.
Ina Weber untersucht mit ihren architektonischen Plastiken gesellschaftliche Utopien des späten 19. und 20. Jahrhunderts. Sie hinterfragt deren Wirkung im Zusammenhang heutiger europäischer Metropolen. In der Ausstellung entsteht eine Laborsituation, die urbanistische Dynamiken aufzeigt und diese auf ihre utopische Halbwertszeit hin untersucht, um sie mit dem Betrachter zu diskutieren.
Durch Strategien der Verkleinerung, Verniedlichung und Verharmlosung gelingt es Ina Weber humorvoll und ironisch Distanz zu den einstigen Symbolen des modernen Komforts herzustellen. Dabei öffnet sie ein Bewusstsein dafür, wie der letzte Schrei der Fortschrittlichkeit sich allmählich in Hässliches und Ausgedientes verwandelt, wie einstige Zukunftseuphorien in Resignation und Nutzlosigkeit umschlagen. Dem Vergänglichen wohnt immer auch ein Stück Schönheit und Würde inne. Weber ist dieser Aspekt wichtig, sie arbeitet ihn heraus, indem sie ausschließlich Originalmaterialen einsetzt. In ihren Plastiken, vor allem aber auch in ihren realistischen Zeichnungen, führt Ina Weber einen Prozess der Umwertung vor, vor dem die meisten Menschen im Alltag ihre Augen verschließen. So kann man ihre Arbeiten auch als Arbeit an den Wahrnehmungslücken im urbanen Umfeld begreifen.
Die Ausstellung im Haus am Waldsee wird den besonderen Umgang Ina Webers mit öffentlichen Räumen, Architekturen, Erinnerungen, Utopien und Realitäten, den die Künstlerin seit über 15 Jahren konsequent verfolgt, zum ersten Mal in einer Berliner Institution vor einem großen Publikum ausbreiten. Eine zweite Ausstellungsstation ist im Frühsommer 2013 für die Städtische Galerie Delmenhorst geplant. Die Künstlerin lebt und arbeitet nach einem Studium bei Martin Kippenberger an der Kunstakademie Düsseldorf in Berlin.