Unsere Vorstellungen von Realität sind Täuschung. Alle Vorhersehbarkeiten sind Spekulation. Orte und Zeiten sind relativ. Diese philosophischen Grundeinsichten bestehen seit der frühsten Antike. Die 1979 in Kattowitz/Polen geborene Künstlerin Alicja Kwade nutzt dieses alte Wissen, um unsere heutige Alltagswahrnehmung kritisch zu schärfen.
Seit gut zehn Jahren geht die Künstlerin in ihrem bildhauerischen Werk astrophysikalischen und philosophischen Fragen auf den Grund. Mit einfachen Mitteln sucht sie unterschiedliche Realitätsstrukturen frei zu legen: Zwei Äste stehen in der Ecke. Unterschiedliche Edelmetalle liegen wie Statistikblöcke übereinander am Boden. Findlinge und Steine fluten in den Ausstellungsraum. Doch kann die Natur zwei identische Äste schaffen? Ist der Wert eines Metalls heute derselbe wie gestern? Kwade will nicht den Betrachter täuschen, sie will ihm vielmehr die Täuschungen offenbaren, denen er unablässig unterliegt.
Wie sollte in einem Universum, das bis ins kleinste Atom dynamisch und veränderlich ist, etwas sicher und vorhersehbar sein? Und doch basiert unser aktuelles Wirtschaftssystem auf dem Versprechen absoluter Sicherheit. Werbung und Medien können die Zukunft jedoch nicht kennen. Sie schaffen vielmehr Scheinsicherheiten und nutzen dabei die subtil vorhandenen Zukunftsängste der Menschen aus, um ökonomisch erfolgreich zu sein. Indem Alicja Kwade diese Themenfelder mit künstlerischen Mitteln bearbeitet, veranschaulicht sie über Analogien das konsumistische Denken und die psychischen Schwächen unserer Gegenwart.