Der Erfolg beim Kunst-Sammeln ist zum einen abhängig von den Marktbedingungen und zum andern von den wirtschaft-lichen Möglichkeiten des Sammlers. Gegenüber dem Kunst-Sammeln ist die Kunst des Sammelns jedoch vor allem eine Begabung und eine Frage des guten Geschmacks: Zu denjenigen, welche die Gunst des Markts mit ihrer Begabung zu verbinden wussten, gehörte Robert Landolt (1913-2008), der als Kinderarzt in Chur einen grossen Teil seiner raren Mussestunden mit dem Studium und Erwerb von Handzeichnungen verbrachte. Zu Ehren seines 100. Geburtstags widmet ihm die Graphische Sammlung ETH eine Ausstellung. Sie zeigt 80 Werke aus seiner heute in Privatbesitz befindlichen Sammlung von Zeichnungen.
Robert Landolt trieb seit 1945 mit sensiblem Gespür für Qualität den Aufbau seiner bedeutenden Sammlung voran. Heute bietet sie mit herausragenden Beispielen Einblick in die intime Welt der Skizzen und Entwürfe Alter Meister. Unerwartet modern zeigt sich die über 500-jährige Felsland-schaft in Feder des Florentiner Mönchs Fra Bartolommeo, eines Zeitgenossen Raffaels.
Ob von den Bologneser Künstlern Domenichino und Agostino Carracci oder von den Lombarden Morazzone oder Tanzio da Varallo – alle Blätter zeigen die unverzichtbare Rolle der Handzeichnung im Prozess künstlerischer Bildfindung.
Robert Landolts Sammlerinteressen waren zeitlich und geo-graphisch weit gespannt. Auch die Werke der künstlerischen Schulen nördlich der Alpen sind prominent vertreten: Besonders sind der an römischen Ruinen interessierte Hendrik Van Cleve, der in der Welt der Mythologie bewanderte Hendrick Goltzius und die Landschaftszeichner Adriaen van Ostade und Jan van Goyen zu nennen. Eine schweizerische Eigenart stellen hingegen seine Scheibenrisse des 16. Jahr-hunderts dar. Sie entstanden als Vorlagen für Glasmalereien in öffentlichen oder privaten Gebäuden. In diesem Hand-werkszweig waren unter anderen der gebürtige Zürcher und lange in Bern tätige Hans Funk oder der Schaffhauser Daniel Lindtmayer spezialisiert.
Was mit so viel Leidenschaft zusammengetragen worden ist, erweist sich heute als ein Fest für die Augen. Die Ausstellung der Graphischen Sammlung ETH bietet die Gelegenheit, den Alten Meistern beim Entwerfen ihrer Werke über die Schulter zu sehen.