01.05.2009 - 21.06.2009
Als Attila Durak seine fotografische Reise durch die Türkei im Frühjahr 2001 plante, ahnte er noch nicht, dass sie für ihn zu sieben intensiven Jahren der Begegnung mit seinem eigenen Land werden würde. Durak lebte damals in New York, dem sogenannten "melting-pot of cultures", der für ihn Impuls war, sich an die eigenen Wurzeln der Multikulturalität zu erinnern und ihnen mit der Kamera zu begegnen.
Die Türkei ist ein Land der über Jahrhunderte gewachsenen kulturellen Diversität. Heute zählt man mehr als 40 ethnische und religiöse Gruppen, die sich sichtbar durch ihre Sprache, ihre Lebensgewohnheiten, ihre kulturelle Identität, ihre Religion und religiöse Praxis unterscheiden. Diese Vielfalt wird in der Ausstellung fotografisch dargestellt und im begleitenden Buch EBRU – Kulturelle Vielfalt in der Türkei festgehalten.
Das Buch zur Ausstellung ergänzt die knapp 300 ausgewählten Bilder mit einem Vorwort von John Berger und einer Sammlung von Kurzinterpretationen von 24 der bekanntesten zeitgenössischen türkischen Autoren wie Sezen Aksu, Ara Güler, Elif Safak, Ishak Alaton, Nebahat Akkoç and Murat Belge.
"Ebru" heißt übersetzt "Marmorpapier" und bezieht sich auf den künstlerischen Effekt, wenn bei dieser besonderen Maltechnik sich Farben mit Wasser auf Papier vereinen. Diese alte osmanische Maltechnik ist in Anatolien weit verbreitet.
Mit ihren kreativen Kombinationen ist "Ebru" metaphorisch eine vielversprechende Alternative zu Begriffen wie "Mosaik" oder "Quilt", um die Multikulturalität von Duraks Heimat zu bezeichnen. Attila Durak selbst sagt über diese Ausstellung, dass er damit das Heute als einen Moment des "Ebru" der Türkei dokumentiert hat, das sich in einem Prozess des Übergangs von Gestern zu Morgen befindet.
Attila Duraks fotografische Reise, die insgesamt etwa 15.000 Bilder umfasst, sucht den Menschen jenseits ethnischer Festschreibungen. Seine Reise ist keine Dokumentation, sie ist ein Portrait des menschlichen Miteinanders. Die Klarheit und Prägnanz, mit der jedes Portrait durch die freundschaftliche Nähe und als Ergebnis intensiver Begegnung entstehen konnte, macht diese Fotografien so ungewöhnlich: Sie führen uns das "Anderssein" als gewachsene Identität der türkischen Gesellschaft vor.
Der Künstler arbeitet im Bereich der "sozialen Fotografie". Seine Arbeit meint kein "bloßes Ablichten" der Wirklichkeit, sondern ein interaktives Benutzen des Mediums. "Ich habe mindestens acht Tage mit allen Menschen verbracht, bevor ich die Kamera überhaupt zum ersten Mal rausgeholt habe. Ich habe mit ihnen gegessen, getrunken, gearbeitet und gesprochen. Ich bin mit den Kamelkarawanen über die Berge gezogen und habe mit einer alten Frau zwei Wochen in einem Raum geschlafen – unter solchen Bedingungen wird das Fotografieren zur selbstverständlichsten Sache der Welt", so der Künstler.