19.07.2012 - 16.09.2012
»Sind sie krank?«, wurde Heinrich Dietrich K., ein 28jähriger Soldat, gefragt, als er in das St. Jürgen-Asyl aufgenommen wurde, das psychiatrische Krankenhaus Bremens. Er antwortete: »Krank nicht, aber gesund ist man auch nicht mehr – wenn man 2½ Jahre im Felde gewesen ist – dann hat sich wohl alles zusammen gezogen.« Dieser kurze Wortwechsel zwischen dem Psychiater und seinem Patienten im Jahr 1918 lässt ein Thema zum Vorschein kommen, das in den letzten Jahren hoch aktuell geworden ist: Traumatisierungen von Soldaten im Krieg, hier im Ersten Weltkrieg.
Der Erste Weltkrieg ist als erster industrialisierter Massenkrieg in die Geschichtsschreibung eingegangen; er ist auch der erste Krieg, in dem massenhaft Soldaten seelisch erkrankten. Hunderttausende von ihnen litten an sogenannten Krankheiten des Nervengebietes, ein Phänomen, das vorher nicht bekannt gewesen war; war doch vor 1914 stets die Nervenstärke des deutschen Volkes propagiert worden. Auch unter den »Daheimgebliebenen« brachten die Ereignisse des Krieges eine Vielzahl seelischer Verletzungen hervor. Psychiatrische Krankenhäuser an Front und »Heimatfront« sahen sich vor unerwartete Probleme gestellt.
Die Ausstellung zeigt die Psychiatrie im Deutschen Reich im Ersten Weltkrieg am Beispiel des St. Jürgen-Asyls, des psychiatrischen Krankenhauses Bremen. Neben den Krankheiten der »Kriegszitterer« (als solche wurde nicht selten auch ihre etwaige Desertion betrachtet) und den Ursachen der Kriegstraumata stellt sie die Bedingungen vor, unter denen Ärzte und Pflegepersonal arbeiteten und die sie zu teils radikalen Therapiemethoden wie der Anwendung elektrischer Ströme verleiteten. Auch das Hungersterben in der Psychiatrie zwischen 1914 und 1918 wird thematisiert. Im Mittelpunkt stehen individuelle Krankengeschichten männlicher und weiblicher, ziviler und militärischer Patienten.