Deutsches Sport und Olympia Museum, Foto: DSOM
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Deutsches Sport und Olympia Museum

Deutsches Sport und Olympia Museum, Foto: Axel Schulten / KölnTourismus GmbH
Deutsches Sport und Olympia Museum, Foto: Axel Schulten / KölnTourismus GmbH
Deutsches Sport und Olympia Museum, Foto: DSOM
Deutsches Sport und Olympia Museum, Foto: DSOM

Im Zollhafen 1
50678 Köln
Tel.: 0221 33 609 0
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-Fr 10.00-18.00 Uhr
Sa, So 11.00-19.00 Uhr

Shins & Cheeks

03.03.2012 - 06.05.2012
Was würden Archäologen denken, wenn sie in ferner Zukunft zufällig einen Friedhof entdeckten, auf dem ausschließlich Skateboarder begraben wurden? Geboren aus dieser Frage entwickelten Jo Hempel und Gunnar Nicolaus beim Anblick unter anderem der eigenen Scheinbeine im August 2010 das Fotoprojekt „Shins & Cheeks“.
Jo Hempel, studierter Archäologe, Fotograf und leidenschaftlicher Skateboardfahrer, fragte sich: Wie würden die Forscher wohl all die charakteristischen Skater-Verletzungen, Knochenbrüche und Narben an den Schienbeinen deuten? Würde man diese mit seltsamen Mythen und Kulten oder gar mit sektenhaften Vereinigungen in Verbindung bringen?
Einen körperlichen Aspekt brachte der Werbe- und People-Fotograf Gunnar Nicolaus in der Projekt ein: Ihn interessierte das Nebeneinander von Schienbein und Gesicht mit seinen ganz typischen und individuellen Merkmalen. Aus dem theoretischen Gedankenkonstrukt machten Jo Hempel und Gunnar Nicolaus ein gemeinsames Fotoprojekt.
Die Schienbeine/Shins: Jeder, der schon mal ernsthaft Skateboard gefahren ist, kennt die schmerzhaften Momente, in denen das Board auf die empfindlichen Knochen trifft. Häufig hinterlässt diese Begegnung kleine Schnitte, Schwellungen, Wunden, die später zu Narben werden – meist keine bösartigen Verletzungen. Einige davon aber sind Spuren für die Ewigkeit; in der Summe genauso individuell wie die Personen selber.
Wangen/ Cheeks: Unverwechselbar sind ganz offensichtlich die Portraits der Skater. Sie scheinen auf den ersten Blick noch variantenreicher und leichter lesbar, kommen doch neben der unterschiedlichen Physis der Gesichter noch Ausdruck und Emotionen hinzu.
Durch die vertraute Betrachtungsweise von Gesichtern erkennen wir Unterschiede innerhalb von Sekundenbruchteilen, aber wer schaut Menschen schon zuerst auf die Beine? Die Gesichter verändern sich über die Jahre, sie entwickeln sich. Und genauso kommen auch immer neue Schienbein-Narben hinzu, solange man auf dem Brett steht.
Aus der Betrachtung von Schienbeinen und Wangen ergibt sich eine ganz individuelle Charakteristik: ein bisher noch nicht dokumentierter Fingerabdruck der jeweiligen Person.
Jo Hempel und Gunnar Nicolaus beschlossen, ihre Chance zur Umsetzung während des 10-jährigen Jubiläums der European Skateboard Championship in Basel zu nutzen. Unter studioähnlichen Bedingungen fotografierten sie 96 Skateboarder aus ganz Europa. Die Spanne der abgelichteten Personen reicht von männlich bis weiblich, von Amateur über Profi bis „pensioniert“, von Estland bis Spanien, von 7 bis 44 Jahren. Frontal aufgenommen, den Körper in zwei nicht verbundene Fragmente teilend, zeigen die Farbfotos hart beleuchtet und fast schattenlos jede noch so kleine Kontur.
Im Rahmen der Aufnahmen waren die Teilnehmer bereit, einige Fragen über sich selbst zu beantworten. Ihre Namen, Alter, Geburtsland, seit wann sie skaten, ihre schlimmsten Verletzungen und ihre spontane Assoziation zu „Skaten und Schienbeinen“ wurden dokumentiert. Damit gewinnt die fotografische Studie den Aspekt einer individuellen Dokumentation. Es entstand nicht nur ein außergewöhnliches Fotoprojekt, sondern auch ein Querschnitt durch die europäische Skateszene.
„Shins & Cheeks“ zeigt Merkmale, die die Welt der Skater vereint, unabhängig vom Hintergrund und Erscheinungsbild des Sportlers. Sowohl die Portraits als auch die Topographie der Schienbeine bestätigen – verwerfen aber auch – Vorurteile über Skater, gerade bei Menschen, die nichts mit der Szene zu tun haben. Die Intensität der Portraits ergreift den Betrachter, die Narben lassen ihn teils verblüfft zurück. Die Verknüpfung von „Shins“ und „Cheeks“ bietet ihm Raum zum Spielen, Rätseln und Kombinieren: Welche Beine gehören zu welchem Gesicht? Wie sehen die Gesichter zu den jeweiligen Beinen aus?
„Shins & Cheeks“ ist ein Projekt, das sowohl die Leidenschaft als auch die Leidensfähigkeit dieses Sports darstellt. Es präsentiert die unterschiedlichsten Charaktere, die jedoch alle eines gemeinsam haben: ihre Liebe zum Brett, auch wenn es Schmerzen bereiten kann.

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