c/o Berlin, (Foto: David von Becker)
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c/o Berlin

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Talents 23. Play It Again

10.06.2011 - 02.08.2011
"Kunstwerke, die der Betrachtung und dem Gedanken ohne Rest aufgehen, sind keine." Theodor W. Adorno Das Mädchen mit dem Wasserglas in der Hand erscheint vertraut. Der Mann mit Fellmütze und Steinschleuder ebenfalls. Jedoch aus welchem Kontext? Tauchen sie nicht bei den Meistern der niederländischen Malerei oder anderen Größen der Kunstgeschichte auf? Die Bildtitel geben kaum einen geeigneten, konkreten Hinweis, sondern verstärken die Irritation nur. Wieso heißt das Foto eines verlassenen Schlauchbootes am Ufer "Nichtschwimmer"? Weshalb wird eine banale, urbane Parklandschaft als "paradise no. 1" betitelt? Auch die Präsentation der Bilder ist rätselhaft, die Bezüge zwischen den einzelnen Sujets und Formaten erschließen sich einfach nicht. Diese Flüchtigkeit ist volle Absicht - Timotheus Tomicek spielt geschickt mit der menschlichen Wahrnehmung und Erwartung und fordert auf, genau hinzusehen, zu interpretieren und assoziieren. Indem er bekannte Motive, Situationen und Arrangements subtil-ironisch zitiert, samplet, covert und wiederholt, bricht er die allgemeinen Sehgewohnheiten und starren Muster erlernter Symbolik auf. Der Betrachter muss selbst Bezüge herstellen und für sich neue Bedeutungen finden. In diesem lustvollen Spiel mit Doppelbödigkeit und Zwischenbildlichkeit wird er selbst zum Akteur. Timotheus Tomicek zeigt in seinen Fotografien die Spuren und Auswirkungen menschlichen Verhaltens. Das Unsichtbare dahinter ist ihm dabei wichtiger als das vordergründig Sichtbare. Er geht bewusst inhaltliche Umwege und legt Fährten, um ein visuelles Schwanken zu erzeugen. Dieser Verrätselung steckt eine tiefe Skepsis gegenüber klarer Zuordnung und Benennung zugrunde - vor allem auch gegenüber der Fotografie als realitätsabbildendem Medium. Auch ist in seinem ÂŒuvre nicht immer sichtbar, ob es sich um eine Inszenierung oder eine dokumentarische Aufnahme handelt. So lotet Timotheus Tomicek die Grenzen des fotografischen Bildes bis hin zum Filmischen aus. Einige seiner Arbeiten sind bewegte Bilder, jedoch keine klassischen Projektionen. Es sind leicht voneinander variierende Einzelfotografien, die hintereinander geschaltet werden. Diese Hybridform zwischen Fotografie und Film bewegt sich nur minimal, fast unmerklich - wie der überraschende Moment eines Tagtraumes. Mit dieser Präsentation öffnet er einzelne Genres und weckt neue Assoziationen. Landschaftsaufnahmen neben Städteansichten, Stillleben neben Porträts, perfekt ausgeleuchtete Diasec-Aufnahmen neben Schnappschüssen auf gängigem Kopierpapier - Timotheus Tomicek kombiniert in seinen Installationen verschiedene Motive, Medien und Darstellungsmodi, die zunächst keinem ersichtlichen Schema folgen. Manche Bilder werden in aufwendig dekorierten Prunkrahmen aus Gold präsentiert, andere mit Nägeln an der rohen Wand befestigt. Größe und Format der einzelnen Aufnahmen variieren stark und auch die Hängung scheint auf den ersten Blick kontingent zu sein. Entgegen dieser gefühlten Diffusion liegt Timotheus Tomiceks Ausstellungsaufbau jedoch eine explizite Organisation zugrunde. Das Durchkreuzen der differenten Bildtypen und -sujets sowie die Anordnung auf der Wand werden hier zum Programm für ein Konzept, das eher den Raum zwischen den Bildern als die Bilder selbst in den Blick nimmt. Timotheus Tomicek, geboren 1978, studierte Fotografie und Film an der Höheren graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt Wien sowie an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien bei Prof. Walter Kindler und Michael Haneke. Es folgten mehrere Studien- und Arbeitsaufenthalte im Ausland, u.a. bei Dreamworks DuArt laboratory New York, in Budapest (International Kodak Masterclass) und an der FEMIS Filmakademie in Paris. Timotheus Timocek drehte mehrere Dokumentarfilme u.a. in Chile, im Kongo, Sudan, Uganda. Seine Fotografien erschienen in zahlreichen Zeitschriften wie z.B. Die Zeit, Eikon und Camera Austria. Timotheus Tomicek lebt in Wien. Kathrin Schönegg, geboren 1982, studierte bis 2009 Germanistik, Kunstwissenschaft, Medienwissenschaft und Soziologie in Konstanz. Das Studium schloss sie mit einer Magisterarbeit zu den Scrap-Books von Rolf Dieter Brinkmann ab, die sie unter dem Aspekt des photographischen Schreibens diskutierte. Seit 2010 ist sie Stipendiatin im Graduiertenkolleg "Das Reale in der Kultur der Moderne" an der Universität Konstanz. Bei Prof. Bernd Stiegler promoviert sie mit einer Arbeit zu Abstrakter Photographie. Daneben ist sie projektbezogen in verschiedenen Ausstellungshäusern tätig - zuletzt im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Kathrin Schönegg lebt in Konstanz. Nachwuchs fördern und ihm eine erste Chance für die Zukunft geben - Talents ist kreativer Campus für junge internationale Gegenwartsfotografie und Kunstkritik. Seit 2006 fördert der C/O's e.V. mit dieser Ausstellungsreihe angehende Fotografen und Kritiker, die sich an der Schwelle zwischen Ausbildung und Beruf befinden. Begleitet wird jede Einzelausstellung von einer Publikation, in der Bild und Text einen Dialog eingehen. Talents ist ein internationaler Wettbewerb, der jährlich ausgeschrieben wird. Aus den eingereichten Bewerbungen wählt eine Fachjury jeweils vier Fotografen für einen Jahrgang aus. Mit Hilfe starker Partnerschaften schickt C/O Berlin die Fotografen und Kunsthistoriker in die Welt. Dieses in Europa einzigartige Programm ist für viele junge Künstler der Ausgangspunkt für Ausstellungen, z.B. in den Goethe-Instituten Stockholm, New York oder Santiago de Chile. Im Jahr 2011 steht die Talents-Reihe unter dem Thema Cinematic Thinking. Wie kann Fotografie filmische Strukturen adaptieren und diese gleichzeitig aufbrechen? Worin liegt die Stärke des eingefrorenen Momentes im Vergleich zum bewegten Bild? Die klassische Fotografie an der Wand als Präsentationsform kann um Projektionen oder Installationen erweitert werden und ermöglicht dadurch immer auch die Reflektion über das Medium Fotografie selbst.

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