c/o Berlin, (Foto: David von Becker)
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Joel Sternfeld: Retrospektive & Deutsche Börse Photography Prize 2012

10.11.2012 - 13.01.2013
Eine epische Reise quer durch die USA jenseits eingetreter Tourismuspfade und bekannter Sehenswürdigkeiten. Die Landschaften, Straßenzüge, Grünanalagen und Häuser mitsamt ihren Bewohnern erscheinen unspektakulär, harmlos und alltäglich. Diese Motive haben es jedoch in sich! Unter der fotografischen Oberfläche verbergen sich gescheiterte Utopien, vergessene Schicksale und blutige Tatorte. Diese deckt Joel Sternfeld nüchtern und präzise auf und rückt so die menschliche Begrenzung der Wahrnehmung, die Leichtigkeit des Vergessens sowie die tägliche Gewalt in den Fokus. Gerade im stillen Verzicht auf jegliche Sensationsgier liegt die explosive Sprengkraft seiner Bilder und offenbart einen skeptischen, zuweilen dennoch liebevollen Blick auf eine erschütterte Nation Ende des 20. Jahrhunderts.
Seinen als abgeschlossen konzipierten Werkgruppen gehen intensive Recherchen voran und werden oft von deskriptiven Texten begleitet. Erst durch diese kann der Betrachter etwa den Balkon, auf dem Martin Luther King erschossen wurde, die Farm einer radikal religösen Sekte oder den Schauplatz einer Vergewaltigung mitten im Central Park in den richtigen Kontext setzen. Hierdurch erhalten Joel Sternfelds tiefgehende Erkundungen der USA ihre eigentliche Brisanz. Gleichzeitig rückt dadurch das Problem der Objektivität und die Interpretierbarkeit von Fotografie und Bildern allgemein in den Vordergrund. "Die Erfahrung hat mich immer wieder von neuem gelehrt, dass man nie wissen kann, was sich unter einer Oberfläche oder hinter einer Fassade verbirgt. Bei der Einschätzung eines Ortes, dem Betrachten von Fotografien einer Landschaft ist unser Verständnis zwangsläufig Fehldeutungen unterworfen.", so Joel Sternfeld. Seine Bilder sind nicht nur ernsthaft, illustrativ und kritisch, sondern vor allem auch ironisch und humorvoll - jedoch auf eine Freudsche, nervöse Art, die eine innere, unangenehme Wahrheit beinhaltet.
Mit seinen Fotografien von Menschen innerhalb ihres Lebensumfeldes bezieht sich Joel Sternfeld einerseits auf die soziologischen Studien von August Sander und andererseits auf die fotografische Vermessung der USA von Walker Evans und Robert Frank. Gleichzeitig sind bei ihm eine eindeutige Zuordnung und eine einfache Typologisierung der Porträtierten nicht mehr möglich.Denn in seinen Werken erscheinen Punks als bieder, Feuerwehrmänner als fahrlässig und Anwälte als nicht vertrauenerweckend - sogar die idyllische Landschaft wirkt brüchig.
C/O Berlin präsentiert in Kooperation mit dem Folkwang Museum, Essen, erstmals in Deutschland eine große Retrospektive von Joel Sternfeld, die seine Serien "American Prospects", "Sweeth Earth", "Stranger Passing" und "On this Site" umfasst.
Joel Sternfeld, 1944 in New York geboren, studierte am Dartmouth College und zählt neben William Eggleston und Stephen Shore zu den Fotografen, die Ende der 1970er die Farbe für die Kunstfotografie wiederentdeckten und damit den Begriff "New Color" prägten. Seine Arbeiten wurden unter anderem im Art Institute of Chicago, dem San Francisco Museum of Modern Art, dem Museum of Modern Art, New York, der Tate Modern, London, dem S.M.A.K., Gent, und dem Fotomuseum Winterthur ausgestellt. 1978 und 1982 erhielt er für die Realisierung seiner Werkgruppe "American Prospects" zwei Guggenheim-Stipendien, 1990/91 den Prix-de-Rome. Joel Sternfeld war Gewinner des international anerkannten Deutsche Börse Photography Prize 2004.

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