28.07.2012 - 09.09.2012
„The Gulf of Mexico is a very big ocean. The amount of volume of oil and dispersant we are putting into it is tiny in relation to the total water volume.“ Tony Hayward, CEO British Petrol
Abgeräumte Schieferhalden, rostende Fördertürme, verklebte Pumpen, chromblitzende Leitungen, rauchende Raffinerien – mächtig regiert Öl die Welt. Seit über 100 Jahren ist der fossile Energieträger der Treibstoff der modernen Weltordnung mit massiven, zerstörerischen Eingriffen in die Natur. Das Zeitalter des Öls hat sich tief in die Umwelt gebrannt, Landschaften deformiert und Lebensweisen verändert. Und doch sind seine Produktion, die Basis der petrochemischen Zivilisation und ihre Folgen in ihrem ganzen Ausmaß bis heute eine terra incognita. Wie kein Fotograf zuvor dokumentiert Edward Burtynsky lückenlos den weitläufigen Kreislauf der globalen Erdölindustrie. In seinen großformatigen Aufnahmen werden en detail die Zusammenhänge zwischen Ölkonsum, seiner Förderung und Weiterverarbeitung bis hin zur Müllentsorgung und den nachhaltigen Auswirkungen auf die Landschaft sichtbar. So hinterfragt er in seiner fotografischen Serie eindringlich das Strebens nach Wohlstand sowie die Handlungen und deren Konsequenzen jedes einzelnen Menschen.
„Oil“ ist eine einzigartige Kartografie des Rohstoffes und deckt in vier Kapiteln dessen enorme Auswirkungen auf. In „Extraction & Refinement“ liegt Burtynskys Fokus rein auf der Förderung – von kargen Ölfeldern bis hin zu labyrinthischen Fabriken. „Transportation & Motor Culture“ zeigt mehrspurige Highways mit gordischen Verkehrsknoten, die sich endlos durch Metropolen und Lanschaften ziehen. Zugleich entlarvt Edward Burtynsky durch die Aufnahmen endloser Reihenhaussiedlungen, gigantischer Parkplätze und spielerischer Wettrennen die allgegenwärtige Dominanz des Autos als gesellschaftlich-kultureller Fetisch. Müllkippen für Stahlschrott, stillgelegte Förderpumpen, ausrangierte Flugzeuge, Halden voller Autoreifen und ölverschmierte Fässer – das dritte Kapitel „The End of Oil“ zeigt das schmutzige Ende der Verwertungskette in all ihrem umweltschädlichen Ausmaß. Die Ausstellung fügt ein weiteres, aktuelles Thema hinzu: Edward Burtynskys „Oil Spills“ von der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im Jahr 2010.
Seine Panoramen stehen in ihrer makellosen Ästhetik und faszinierender Schönheit in der Tradition der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts – und gleichzeitig jedoch im völligen Kontrast zu ihrem dramatischen Inhalt. Sie lösen im selben Moment Faszination und Scheu, Anziehung und Beängstigung aus. Aus der Distanz oder Vogelperspektive fotografiert wirken Edward Burtynskys Sujets in ihrer Geometrie wie betörend reizvolle Landschaften. Wie ein Maler oder Bildhauer erzeugt er visuelle Abstraktion verbunden mit perfekter Bildkomposition und weichen farblichen Übergängen, die seinen Arbeiten ihren widersprüchlichen Charakter verleihen.
Edward Burtynsky, geboren 1955 in St. Catharines, begann in den frühen 1970er Jahren Fotografie-Kurse zu nehmen. Er studierte bis 1976 Grafische Künste am Niagara College in Welland. An der Ryerson Universität Toronto machte er im Anschluss seinen Bachelor in Fotografie und begann als freier Fotograf zu arbeiten. Er hält drei Ehrendoktorwürden – in Rechtswissenschaft von der Queen‘s University Kingston, in Fotografie von der Ryerson University Toronto sowie für Schöne Künste vom Montserrat College of Art Boston. 2005 erhielt er den TED Prize. Im April 2006 wurde Edward Burtynsky zum Ritter des Order of Canada ernannt. 2007 hat er den Dokumentarfilm „Manufactured Landscapes“ produziert und auf dem Sundance Festival präsentiert. Seine Serien „Oil“, „Quarry“, „Mines“ und „Homesteads“ wurden weltweit ausgestellt – unter anderem im Solomon R. Guggenheim Museum New York, in der National Gallery of Canada und der Bibliothèque Nationale de France. Edward Burtynsky lebt und arbeitet in Toronto.