Unsere klare Unterscheidung zwischen freier Kunst und (angewandter) Wissenschaft hat sich erst in der Zeit des Rationalismus entwickelt. In der Renaissance bezeichnete der Begriff der „imaginatio“ das schöpferische Grundvermögen zur Beobachtung der Naturphänomene über das Sichtbare hinaus und war Voraussetzung sowohl für die Kunst als auch für die Forschung. Die Gegenwartskunst hat immer weniger mit Festlegungen auf bestimmte Gattungen oder Entscheidungen für Stilrichtungen zu tun, dafür immer mehr mit konzeptuellen Fragestellungen und der Erforschung von Zusammenhängen. Dabei ist zu beobachten, dass sich viele Künstlerinnen und Künstler in der Vorarbeit und Recherche auf vielfältige Weise naturwissenschaftlicher Verfahren bedienen. Dies können Feldforschungen sein, die als genaue empirische Untersuchung zu Künstlerischen Umsetzungen führen. Oder es werden Werkprozesse entwickelt, die unsere Vorstellungen von Malerei sprengen und eher an chemische Versuchsreihen denken lassen, aber zu sublimen ästhetischen Bildern führen. Es gibt Künstlerinnen und Künstler, die hochkomplexe Phänomene aus Kunst und Wissenschaft zu vielschichtigen, dichten Arbeiten komponieren, die an naturwissenschaftliche Präsentationsformen erinnern. Verbindend ist, dass der Ausgangspunkt zunächst eine Affinität zu wissenschaftlichen Verfahren suggeriert oder auch besitzt, das künstlerische Produkt jedoch weit von einer Illustration oder praktischen Verwertbarkeit entfernt ist. Wissenschaft und Ästhetik gehen eine Verbindung ein, die sich auf künstlerische Weise der Erkenntnis und damit Wahrheiten nähert. Die Ausstellung wird für das Bayer Kulturhaus von Ludwig Seyfarth kuratiert und hier ihre „Premiere“ haben.