Der Badische Kunstverein zeigt die Künstlerin Kerstin Cmelka in einer umfangreichen Einzelpräsentation. Cmelka arbeitet vorwiegend mit Video, Fotografie und Performance. Ihre Arbeiten basieren oftmals auf populären Vorbildern aus Theater, Kunst und Film, die Cmelka adaptiert und reinszeniert.
Im Zentrum der Ausstellung stehen ihre seit 2008 produzierten Mikrodramen. Das sind einerseits kurze dramatische Fragmente, Volkstücke oder -lieder, in denen die Künstlerin bekannte Theaterdialoge oder klischeehafte Spielfilmszenen mit befreundeten Künstlern aus ihrem unmittelbaren Umfeld nachstellt und subtilen Verfremdungseffekten unterzieht (Mikrodrama Installation 2010, kleiner Saal). Andererseits hat Cmelka in ihrer aktuellsten Mikrodrama-Produktion (Mikrodrama #11, 2014, großer Saal) Laien und professionelle Schauspieler eingeladen, eigens verfasste Skripte gemeinsam zu realisieren. Die Künstlerin ist dabei Regisseurin und Schauspielerin in einer Person und wechselt gekonnt zwischen den Charakteren. Verschiedene Machtkonstellationen in Kunst und Leben werden entlarvt – allerdings ohne dass dabei die damit geäußerte Gesellschaftskritik in Stereotypen verharrt; vielmehr werden diese auf humorvolle Weise wieder aktiv und produktiv gemacht.
Die Texte von Mikrodrama #11 basieren auf privat geführten Gesprächen mit Künstlern ihrer Generation und umkreisen eine Sehnsucht nach Adoleszenz. So auch die gleichnamige Fotoserie, in der Jugendfotos der Protagonisten von Mikrodrama #11 re-fotografiert und ausschnitthaft in Szene gesetzt werden. Die Textilskulptur ist die Vergrößerung eines bekannten Kinderzimmer-Objekts und fungiert wie die Hand im kleinen Saal sowohl als eigenständige Skulptur, als auch als Sitzmöbel zum Verweilen und Betrachten der Videos. Eingebaute Türen trennen die einzelnen Installationen voneinander und lassen die Ausstellungsräume wie Zimmer einer großen Wohnung wirken.
Ausgehend von diesen bestehenden Arbeiten weitet Cmelka ihr Interesse an den Techniken des professionellen Schauspiels – oder was gemeinhin als solches bewertet wird – in der Ausstellung aus. Eine neue Fotoserie thematisiert das sogenannte „Song and Dance Exercise“, ein Element des „Method Actings“, in der ein Coach die Schauspieler zum Intonieren selbst gewählter Lieder und gleichzeitigen spontanen Bewegungsabläufen animiert. Die den gesamten Körper mit einbeziehende Übung hilft einerseits Spannungen loszulassen und eingefahrene Körpermuster abzubauen, andererseits Energie zu bündeln und Konzentration zu schärfen. „Neu zusammengesetzt“ kann der Performer danach seine zwei wichtigsten Werkzeuge, seinen Körper und seine Stimme, wieder mit für seine Rolle prägnanten Erfahrungen und Erinnerungen „auffüllen“ und so die für das „Method Acting“ wichtigste Methode, das „emotional recall“ knopfdruckartig ausführen.
Eine neue Theaterperformance mit dem Titel „The Song and Dance Exercise“ führt die Fotoserie sowie eine Soundinstallation im Waldstraßensaal fort und wird zusammen mit einem Konzert von Pasadena Projekt am 6. März uraufgeführt.
Die Ausstellung nimmt auch das Moment der Kollaboration oder Komplizenschaft in Cmelkas Praxis ernst. Die Künstler Manuel Gorkiewicz, Mario Mentrup, Hanno Millesi und Mandla Reuter wurden eingeladen, eigene Arbeiten in genau jene Installationen Cmelkas zu integrieren, bei denen sie als Schauspieler, Berater, Mentoren oder Freunde wesentlich beteiligt waren. Manuel Gorkiewicz hat für die Performance-Bühne im Waldstraßensaal eine neue skulpturale Arbeit entworfen, die unter anderem Textfragmente der Performance aufnimmt. „Shuteye“ ist ein von Mandla Reuter programmierter Getränkeautomat im ersten Kabinett, der – ähnlich wie die Videoinstallationen von Cmelka – einer künstlichen Choreografie folgt. Die alternierenden Tonspuren in Mikrodrama #11 werden von dem Musikstück „Springtime“ des Schauspielers Mario Mentrup (Pasadena Projekt) unterbrochen und interagieren mit den Loops der Videos. Der Schriftsteller Hanno Millesi liest seinen Text „Ambulanz“, der aus einer Flechtvase hinaus in die Mikrodrama Installation 2010 tönt.