Anlässlich der Ausstellung Die Internationale Werkbundsiedlung entstand 1930-32 die Wiener Werkbundsiedlung mit 70 eingerichteten Musterhäusern. In- und ausländische Architekten – darunter Adolf Loos, Gerrit Rietveld oder Margarete Schütte-Lihotzky – entwarfen Einfamilienhäuser, die den BewohnerInnen auf kleinstem Raum einen möglichst hohen Komfort bieten sollten. Die Siedlung war eine Gegenbewegung zu den großen kommunalen Wohnblöcken dieser Zeit und ein Versuch, die Dogmen der Moderne-Bewegung zu entschärfen.
In ihrem Film forms in relation to life (2014), den die Künstlerin Heidrun Holzfeind im Badischen Kunstverein präsentiert, kommen die heutigen Bewohner der Siedlung zur Sprache und erzählen von ihrem Alltag in den Musterhäusern aus den 1930er-Jahren. Über ein Jahr begleitete Holzfeind die Bewohner und schafft es auf eindrückliche Weise, ihren privaten Bedürfnissen und Lebenskonzepten nahe zu kommen, ohne diese in irgendeiner Form zu bewerten. Wie haben sich die Menschen in ihren Häusern eingerichtet und nach ihren Wünschen adaptiert? Wie gehen sie mit dem minimalen Wohnraum und den Restriktionen der denkmalgeschützten Siedlung um?
Die persönlichen Gespräche und Erinnerungen machen deutlich, welche architektonischen Ideen sich verwirklicht haben, welche aber auch klar gescheitert sind. Der Film offenbart zudem, wie unterschiedlich sich die einzelnen Bewohner der Moderne verpflichtet fühlen und wie sich diese Diskrepanz auch in Konflikten untereinander entladen kann. So ist die soziale Struktur in engster Form mit der Architektur verknüpft.
Am Ende des Films gibt es eine Sequenz, in der Kinder in Tierkostümen durch die Siedlung laufen. Diese Kostüme wurden von der ältesten Bewohnerin der Siedlung, Elfriede Mislik, über Jahre genäht. An dieser Stelle des Films wird Holzfeinds Umgang mit der Technik des Dokumentarischen an der Schwelle zwischen Realität und Inszenierung besonders deutlich. Das Ideal modernistischer Architektur wird gegen die Lebensrealität des Alltags gesetzt, die sich ihre eigenen Bühnen und Formen der Darstellung schafft.
Die Kostüme sind in der Ausstellung im Original zu sehen und findenauch Eingang in andere Arbeiten Holzfeinds, wie in die Fotoserie animals (fashion book) (2013), und das Kurzvideo costume parade (2014). Die Skulpturen Kletterdreieck (2014) und Holzbaukasten (2015), die speziell für die Ausstellung produziert wurden, zitieren Turn- und Spielgeräte, auf die Holzfeind während ihrer Recherche zu den Wiener Kindergärten aufmerksam wurde. Form und Material des Klettergerüsts beziehen sich beispielsweise auf die geometrischen Objekte der Minimal Art; das Gerüst kann aber zugleich benutzt und immer wieder anders aufgestellt werden.