In der aktuellen Ausstellung Vertical Swamp – Raw Material werden neue Werke von Yehudit Sasportas präsentiert, die nach ihrer Einzelausstellung Seven Winters (2013) im Israel Museum in Jerusalem entstanden sind. Neben drei großformatigen Tuschezeichnungen sind eine neue Videoarbeit und eine Installation Teil der Ausstellung.
Seit langem geht es Yehudit Sasportas in ihrer künstlerischen Arbeit darum, eine eigene seismografische Codesprache für die Verbildlichung von Tönen zu entwickeln und damit eine Objektivierung und gleichzeitige Anonymisierung persönlicher „Lebensäußerungen" darzustellen. So wurden z.B. Tonaufnahmen, die sie über mehrere Jahre hinweg im Haus ihrer Familie gemacht hat, in die von ihr entwickelten ästhetischen Codes übersetzt. Die ursprünglich erzählerische Information der Aufnahmen wurde kodiert, anonymisiert und in ihren Werken zeichnerisch und installativ in seismografische Diagramme transferiert.
In der aktuellen Ausstellung erreicht diese Codesprache für die Künstlerin einen neuen Entwicklungsschritt: Die Linien und Quellinformationen der Töne werden in den Zeichnungen von bisher zweidimensionalen zeichnerischen Formen nun zu mehrdimensionalen beinahe skulpturalen Einritzungen und physischen „Einbrennungen" im Werk selbst.
Yehudit Sasportas vergleicht diesen Vorgang der Einritzung und des Einbrennens mit der Vorstellung, dass ein mentales Lebensereignis sich vergleichbar in das Bewusstsein einer Person einbrennt und als subjektiver Filter wirkt, durch den das Individuum unbewusst die objektive Realität erlebt. So bezeichnet sie ihre Werke auch als „mentale" Landschaften. Es wird hier ein weiterer Aspekt im künstlerischen Schaffen von Yehudit Sasportas sichtbar: Ihre intensive Beschäftigung mit der ständigen Bewegung und Wechselwirkung, die zwischen unterschiedlichen Sphären und Dimensionen, zwischen dem Physischen und dem Metaphysischen, dem Subjektiven und dem Objektiven, dem Bewussten und dem Unterbewusstsein stattfindet.
In der Videoarbeit The Magnetic Shaky Table, die in der Ausstellung zu sehen ist, gilt das philosophisch ausgerichtete Interesse Sasportas' einem Moorgebiet im Nordwesten Deutschlands, von dem aus diverse Materialien in ihr Atelier gebracht wurden. Dort wurden sie getrocknet und bearbeitet und zu einem konzeptuellen Stillleben arrangiert, das durch Magnete über Jahre hinweg in ständiger Bewegung gehalten wurde.
In The Magnetic Shaky Table (Länge 27 min.) steht die einfache Szene eines Stilllebens für das kollektive Unterbewusstsein, das ständig in Bewegung ist: Magnetische Steine, getrocknete Baumteile aus dem Sumpf, in die Magneten eingefügt wurden, mittels Umwicklung mit feinen Kabeln elektrifizierte Äste und Seile aus Filz, die als gezeichnete Linien fungieren. Durch das aktive Magnetfeld bewegte sich das Modell über mehrere Jahre und die Bewegung wurde nur von Zeit zu Zeit von der Künstlerin gestoppt. Yehudit Sasportas hat diese Bewegungen über die Jahre hinweg von der Decke ihres Ateliers fotografiert und daraus die Videoarbeit entwickelt. Der musikalische Soundtrack stammt von Gamliel Sasportas, dem Bruder der Künstlerin, der auf den subjektiv-privaten Bezug verweist.
Das Sumpfgebiet verkörpert für die Künstlerin ein Symbol des Übergangs, ein Eingangstor in eine andere (metaphysische) Dimension, die sie in ihren Werken wiederholt aufgreift. Ebenso wie die Bewegung der Räume – des Physischen und des Metaphysischen – die sie auch in ihren bisherigen Videoarbeiten und Werken wie The Moon (2003), GHARDI – local voices (2009), The Light Workers (2010) und Vortex of Separation (2011) behandelt.
Neben den Zeichnungen und der Videoarbeit wird in der Ausstellung eine Installation zu sehen sein – die den „Table" im Gleichgewicht haltende Vorrichtung, die Yehudit Sasportas jahrelang in ihrem Berliner Atelier verwendete. Auch hier wird die Bewegung zwischen zwei Polen zwischen dem Naturalistischen und dem Technoiden. Für die Künstlerin sind ihre Werke als Sinnbild für eine existenzielle Situation zu verstehen, sie schafft in ihren Arbeiten ein Energiefeld zwischen Bewegung und Innehalten, Spannung und Entladung, zwischen der persönlichen Erfahrung des Betrachters und des objektiv Wahrnehmbaren. Yehudit Sasportas gelingt es in ihren Arbeiten in unterschiedlichster Weise, die Spannung zwischen Innen und Außen, zwischen Zweidimensionalität und Dreidimensionalität aufzubauen, einzufangen und aufzulösen.