30.10.2010 - 18.12.2010
GHOST LIGHT - IRRLICHT. Nach Stella Hambergs Einzelausstellung "Reset" im Jahr 2009 füllt sich die Bildwelt der in Berlin lebenden Künstlerin allmählich wieder. Der Impuls ihres Neustarts mündet in den drei stehenden, hockenden, lehnenden Plastiken mit dem Titel "Ghost Light". Man sollte meinen, dass man die drei Figuren auf einer Lichtung trifft, in einem Wald oder an einer Fernstraße. Irrlichter, die in ständiger Bewegung unserer Aufmerksamkeit zu entfliehen suchen. Ihre Haltungen weisen nach innen, sie vermitteln uns weder Ruhe noch Aktion, weder Anteilnahme noch Desinteresse. Keine Symbole, keine Verweise, nur der Rest von Kleidung, der zum Teil nicht einmal das ist, sondern halb Bein, Knöchel, Handrücken oder Bauch.
Ohne Sockel teilen die Figuren mit dem Betrachter die Standhöhe. Dabei lassen übergroße Hände und Füße an Michelangelos David auf der Piazza della Signoria in Florenz denken, der eigentlich für die höheren Geschosse der Fassade des Doms Santa Maria del Fiore geschaffen wurde. Hambergs Irrlichter führen uns die anatomischen Verschiebungen ihrer Gliedmaße direkt vor Augen, ohne verzerrende Perspektiven der Betrachtung. Sie deuten leise und gleichzeitig fast plump auf ihre innere Situation. Sie wollen dabei ebenso unheroisch wie unelegant sein und können sich ihrer Eindringlichkeit doch nicht verwehren.
Als in Flämmchen gehüllte Irrlichter sind die "hinterlistigen Ratgeber" im 8. Höllenkreis Dantes "Göttlicher Komödie" dazu verdammt, in voller Unruhe dahinzuvegetieren. Ganz anders Hambergs Figuren, die dem Materialberg aus dem die Bildhauerin sie hervorbrachte unerschütterlichen Halt verleihen. Die starke Präsenz widerspricht dem stoischen Autismus, dem sie sich hingeben und für immer hingeben werden. Die Kleidung definiert ihre Körper eher, als dass sie ihnen als Schutz dient und trotz Hose stehen und sitzen sie statisch in völliger Nacktheit. "Ein Bild ist wie ein Berg und ein Berg bewegt sich nicht" sagt Stella Hamberg. Und sie bewegen sich doch - sie flackern wie Irrlichter noch lange durch unsere Köpfe.
Stella Hamberg studierte Bildhauerei bei Prof. Martin Honert in Dresden. Seit ihrem Meisterschülerabschluss im Jahr 2005 lebt und arbeitet die 1975 geborene Künstlerin in Berlin. 2006 erhielt sie das Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium. Arbeiten von Stella Hamberg werden in diesem Jahr im Albertinum in Dresden und im Skulpturengarten der Villa Schöningen in Potsdam gezeigt. 2011 widmet das Mönchehaus Museum Goslar Stella Hamberg ihre erste institutionelle Einzelausstellung.
Im Zentrum von Hambergs plastischer Bildsprache steht, wie in der gesamten Kunstgeschichte der Bildhauerei, der Mensch. Die Arbeit an einer Plastik funktioniert für Hamberg wie ein ständiger Dialog und in jeder ihrer Bildwelten wird eine eigene Sprache gesprochen - die Berserker, der Gefährte, nun die Irrlichter.