In der Ausstellung „unterwegs" wird der künstlerische Umgang mit dem ‚Fremden' vorgestellt. Wie haben sich Reiseeindrücke in den jeweiligen Werken niedergeschlagen? War es im 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert vorwiegend das Exotische, das Ursprüngliche, das die Bildwelten beherrschte, so finden sich heute in der Zeit des Massentourismus und der Globalisierung kaum noch Anklänge an die von westlich zivilisiertem Wunschdenken geprägten Sujets. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem ‚Fremden' findet vor einem medial geprägten Informationsmuster statt, in dem die Künstler eigene Verortungen vornehmen, die unmittelbare Erfahrung mit transportierten Erwartungen verknüpft.
Rosemary Laing (*1959, Brisbane), eine Künstlerin, die ihre Serien bisher immer konzeptuell entwickelte, Sets mit Schauspielern und aufwändigen technischen Hilfsmitteln inszenierte, zeigt in der Serie „effort and rush" Aufnahmen, die während einer Reise nach Madagaskar entstanden sind. Bei genauer Betrachtung stellt man fest, das lediglich zwei Motive gewählt wurden, während der Fahrt aus einem Busfenster aufgenommen. Bewegungsunschärfen lassen das Motiv fast abstrakt erscheinen. Bei der weiteren digitalen Bearbeitung verlieren die Bilder ihren Ortsbezug vollständig. Die Künstlerin stellt in dieser Reihe den Moment der Bewegung als Phänomen des Reisens in den Vordergrund und hinterfragt kritisch den Sinn des Reisens als Erfahrungsmoment.
Boris Mikhailov (*1938, Charkow), der bereits früh in einem totalitären System mit seinen freizügigen und provozierenden Bildern erfuhr, dass in einer Gesellschaft immer auch ein bestimmte herrschende Ästhetik befolgt werden muss, findet auch auf seinen Reisen Bilder, die den Klischees einer bestimmten Region oder Kultur widersprechen. Auf seiner Reise nach Japan hielt er in seiner für ihn typischen Weise Momente fest, die eine alternde Gesellschaft prägen.
herman de vries (*1931, Alkmaar), der seine Umwelt zu seinem eigentlichen Atelier erklärt hat, bringt von seinen ausgedehnten Reisen immer wieder Naturmaterialien und Artefakte mit. Bekannt sind unter anderem seine umfangreichen Erdausreibungen, in denen er gesammelte Erden zu komplexen Topografien zusammenstellt. Ebenso stellt er Gruppen unterschiedlichster Materialien, die er gemeinsam mit Susanne de Vries auf einer Reise gesammelt hat, zu Journalen zusammen. Diese stellen ein visuelles Reisetagebuch aus Pflanzen, Mineralien und Artefakten einer bereisten Region dar. In der Ausstellung ist das einundfünfzigteilige Journal „la Palma" zu sehen.
Für Sascha Weidner (1976-2015), der die meiste Zeit seines Lebens unterwegs war, der ganz im romantischen Sinn Reisen auch als Sinnsuche begriff, dabei aber immer die Gefahr des romantisierenden Blicks bewusst in seinen Bildern thematisierte, zeigt in der Serie „Travelling through China" die modernste Form des Reisens: auf dem Tian'anmen - Platz in Peking, auf dem riesige LCD-Bildschirme aufgestellt sind, fotografiert er Passanten, die sich vor den schönsten Landschaften Chinas positionieren, sich fotografieren lassen oder Selfies machen. Die Bilder erinnern an frühe Arbeiten von Cindy Sherman, die Filmbilder mit Rückprojektionen nachstellte.