Die Galerie Barbara Weiss freut sich, die Ausstellung Mrs. Carter and the Diet Cola for Men War des New Yorker Künstlers Jonathan Horowitz zu präsentieren. In den hier gezeigten neuen Arbeiten setzt Horowitz seine kritische Zeitgeistanalyse fort und entwickelt zugleich zentrale Themenkomplexe seines Werks weiter. In der Ver gangenheit setzten sich seine konzeptuellen Video - und Fotoarbeiten mit den kulturellen und politischen Implikationen von Vegetarismus, der LGBT - und der Umweltbewegung sowie dem medial ausgefochtenen Kulturkrieg in den Vereinigten Staaten auseinander. Der Schwerpunkt dieser Ausstellung liegt auf der Doppelbödigkeit der öffentlich inszenierten Rivalität großer Konzerne und der sich wandelnden Identität des heutigen Konsumenten – und darauf, was passiert, wenn sich öffentliche Figuren als Markenbotschafter hergeben.
Horowitz’ Bezug auf die klassische Bildkonzeption der Popkunst wird besonders im Werkkomplex D iet Cola for Men War (306 Cans) deutlich, der sowohl an Warhols Konsumprodukt - Silkscreens als auch an die Komposit ion von Picassos Kriegsgemälde Guernica erinnert. 306 kleinere Leinwände, auf die jeweils eine Cola - Dose gedruckt ist, verbinden sich hier zu einem großformatigen Mosaik tautologischer Marktführerschaft. Die Rivalität von Pepsi und Coca Cola mit ihren kaum voneinander zu unterscheidenden Produkten war bereits früher ein Thema in Horowitz’ Werken. Neben den konkreten politischen Implikationen – die Farbigkeit der Softdrinks korrespondiert mit den Farben der demokratischen und der republikanischen Partei in den USA – wird diese Rivalität bei Horowitz zu einer grundsätzlichen Metapher für das ökonomische und politische System unserer Tage, in dem erklärte Feinde im Grunde beste Freunde sind, die den Markt unter sich aufteilen und sich gegenseitig vorantreiben. Die Cola - Dosen des Mosaiks stellen dabei die neuesten Kampagnen für die kalorienfreien Produkte der Softdrink - Hersteller zur Schau, die sich mit hypermaskulinen Designs explizit an Männer wenden und versuchen, die feminin gefärbten Assoziationen des Diäthaltens zu konterkarieren.
Dass Horowitz’ Arbeiten keine Konsumkritik im klassischen Sinne darstellen, wird schon daran deutlich, wie urteilsfrei der Künstler diese Designs nebeneinanderstellt. Die Arbeiten tragen dem Umstand Rechnung, dass die fiktionalisierten Aufmachungen von Konsumprodukten zu einem festen Bestandteil unserer Kultur geworden sind. Sie bilden ein eigenes Zeichensystem, das wir entziffern müssen, um bewusst und angemessen damit umzugehen. Die Cola - Dosen sind für Horowitz eine authentische Reflexion unserer Zeit, in der Fettleibigkeit zu einer Epidemie geworden ist und Geschlechterrollen fast schon karikativ übertrieben inszeniert werden.
Noch deutlicher wird diese Haltung in Mrs. Carter, dem zweiten Werkkomplex der Ausstellung, in dessen Zentrum der amerikanische Popstar Beyoncé steht, seit Beginn des Jahres die Markenbotschafterin von Pepsi. „Mrs. Carter“ ist das neueste Pseudonym, unter dem der Star auftritt. Indem er die Bilder von Pepsi - Dosen mit Beyoncés Gesichtszügen und von Coca - Cola - Dosen mit einer Eisbärfamilie ne beneinander stellt, weist Horowitz auf den ethnischen Subtext dieser Marketingkampagnen hin: Während das Bild des Eisbären von einer kulturellen Angst lebt, in die auch die Furcht weißer Amerikaner vor dem langsamen „Aussterben“ ihrer Ethnie fließt, steht die übermenschliche Figur Beyoncés für eine neue, ethnisch gemischte Weltordnung. In der glänzenden, auf Aluminium - Honeycomb - Panelen gedruckten Stahlarbeit vermischt Horowitz zudem die Ikonografie der Marke des Popstars mit der Ikonografie der Marke Pepsis und stellt dabei das Cyborghafte der Markeninszenierung Beyoncés heraus. Das Potential der Sängerin für die Projektionen verschiedenster Konsumenten scheint unerschöpflich. Keine andere Figur wirbt in den Vereinigten Staaten für mehr Produkte als sie. Die Universalität ihrer öffentlichen Inszenierung spricht so gut wie jede demographische Gruppe und jede Ethnie an.
Das Werk von Jonathan Horowitz lebt vom zutiefst demokratischen Glauben, dass Kunst nicht getrennt werden muss von den anderen Sphären des öffentlichen Lebens. In gewisser Hinsicht versucht er, dem Bild etwas von dem klassischen Potential zurückzugeben, das es früher einmal hatte – das Potential zu unterhalten, zu informieren und bestehenden Machtstrukturen zu bestätigen oder zu unterminieren. Die beiden Arbeiten Man und 95 Dots bilden auch daher einen fast schon körperlichen Konterpunkt in der Ausstellung: In Man ist ein gerahmtes Exemplar des Titelblatts der Kunstzeitschrift Art in America , das eine Skulptur von Joel Shapiro zeigt, an eine Wand gelehnt. Daneben ist ein stark vergrößerter Ausschnitt des Titelblatts zu sehen, auf dem ein Mann mit Kopfhörern und Arbeitsmontur hinter der Skulptur entlanggeht. 95 Dots hingegen ist ein Gemeinschaftsprojekt, für das Horowitz mehr als 95 Künstler gebet en hat, spontan und nur mithilfe von Pinsel und Farbe einen Kreis mit einer vom Künstler vorgegebenen Größe auf eine Leinwand zu malen. Die dabei entstandenen Bilder ste hen in einem starken Gegensatz zu den glatten Oberflächen der Markeninszenierungen in der restlichen Ausstellung: Jedes von ihnen hat eine unterschiedliche Größe, in jedem werden die Spuren einer individuellen Handschrift deutlich.