24.01.2008 - 08.03.2008
Contemporary Fine Arts zeigt anlässlich des Doppelgeburtstags von Georg Baselitz und Jonathan Meese neue Arbeiten des Künstlers.
„Es sollte sich noch viel Seltsames ereignen…“ Mit diesem lapidaren Satz beendete Jonathan Meese vor etwa zehn Jahren eine seiner zahlreichen kuriosen Kurzgeschichten. Und er hatte Recht, wenn auch die Geschichte – seine Geschichte – einen etwas anderen, aber nicht weniger erstaunlichen Verlauf nahm, als die seiner einsamen Helden. Meese, vor zehn Jahren von der Galerie Contemporary Fine Arts entdeckt, zählt seit seiner ersten, inzwischen legendären Ausstellung, zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Künstlern weltweit.
Zu diesem Jubiläum werden neue Gemälde und Skulpturen gezeigt.
Dem Gebot des „rituallosen Spiels“ folgend, bewegt Jonathan Meese sich mit schlafwandlerischer Sicherheit zwischen allen Medien, die sich ihm darbieten: in den Anfängen vor allem durch seine raumgreifenden Collagen bekannt geworden, profiliert sich Meese in den letzten Jahren vorwiegend in den klassischen Feldern der Zeichnung, Malerei, und Skulptur. In Anlehnung an die berühmte Gangster-Komödie „Fra Diavolo“ (1933) mit Laurel und Hardy in der Hauptrolle ist jetzt eine Serie Selbstporträts entstanden, denen offensichtlich der Teufel Pate stand. „Alle Dämonen sind der Kunst untergeordnet“, sagt Meese und malt sich, den bekennenden Kunst-Diener, zehn Mal als schwarz-roten Diábolos – was aus dem Griechischen übersetzt soviel wie Durcheinanderwerfer, Verwirrer bedeutet. Tatsächlich wirkt Meeses Werk in seiner gestalterischen Vielfalt und inhaltlichen Fülle verwirrend. Insbesondere das malerische Werk hat sich in den letzten Jahren allerdings zunehmend von einer vielschichtig-flächendeckenden hin zu einer reduziert-präzisen Bildsprache entwickelt. Das Verfahren der Reduktion basiert in erster Linie auf dem Prinzip der Geschwindigkeit, dem daraus resultierenden partiellen Freilassen der Leinwand und der Wiederholung bestimmter Grundformen, anhand derer der Künstler malerische Fragen von Linie und Farbe, Raum und Fläche, Positiv und Negativ immer neu durchspielt. Dabei provoziert Meese eine regelrechte Kollision paradoxer Elemente, schafft es mit ungebrochener Dynamik, in unmittelbarer Nähe die Farbe lasierend und pastos, kraftvoll und flächig sowie dekorativ und kleinteilig nebeneinander aufzusetzen.
Die Widersprüchlichkeit in Folge der Negation von Selbstbezüglichkeit – dieses Paradoxon ist wahrscheinlich die treffendste Formel für Meeses nach Autonomie der Kunst strebende Position. Denn letztlich geht es nicht um das Künstlerego, das sich in der Kunst verwirklicht, sondern um die Utopie der vollständigen Loslösung beider Sphären. Die Kunst wird Staat machen, eine neue liebevolle Diktatur führen, das steht für Jonathan Meese außer Frage.
Bis es soweit ist, arbeitet der Künstler an den Insignien des neuen Staates. Erstmals bei Contemporary Fine Arts zu sehen ist die bisher monumentalste Skulptur Meeses: ein dreiflügliger, janusköpfiger Adler, den er jüngst aus dem Ei der Kunst schlüpfen ließ. Über dem Grundriss des Kreises angelegt, stellt diese Skulptur seinen Idealentwurf des hieratischen Tiers dar, an dem sich alle Charakteristika seiner Kunst, das Prinzip des Performativen, der Collage und die endlos mäandernde Linie, sowie die Beherrschung der Fläche beispielhaft vereinen. Chipsdosen, Küchenbretter, Kinderschmuck – Meese hat hier einige Preziosen für eine neue Welt eingearbeitet. Gehütet werden sie von vier grimmig dunklen Wächterfiguren.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.