Buffalo Bill, die Hauptfigur in dem Film „Das Schweigen der Lämmer” tötet Menschen, weil er ihre Haut will. Er fängt, ermordet und häutet große Frauen, und er nimmt ihnen die Haut ab, um sich selbst einen weiblichen Körperanzug zu nähen. Im Laufe des Films stellt sich heraus, dass sein Motiv für diese Taten darauf zurückgeht, dass er als Anwärter auf eine Geschlechtsumwandlung zurückgewiesen wurde. Dadurch ist sein Versuch, sich eine zweite Haut zu verschaffen, ein Versuch, sich auf andere Art und Weise zu verwandeln. Eine der unheimlichsten Szenen des Films zeigt Buffalo Bill, geschminkt, mit Schmuck behangen und in seinem noch nicht ganz fertigen Anzug, wie er vor dem Spiegel tanzt und vor sich hin murmelt „Willst du mich ficken? Ich würd mich ficken".
Capalinos Arbeiten, die als eine Art forensischer Surrealismus beschrieben werden können, beginnen mit einem Sammlungsprozess: Abbildungen von der Internetseite craigslist.com werden zusammengetragen, sortiert und archiviert. Auf formalen Kriterien basierend wählt er anschließend bestimmte Bilder aus, verändert, zerschneidet sie und fügt sie durch Aufbügeln auf der Leinwand wieder neu zusammen. Danach appliziert er verschiedenste Materialien, wobei Capalino Läden für Künstlerbedarf bewusst meidet. Stattdessen findet er sein Material im Supermarkt, in Haushaltswarenläden, Apotheken und im Kleintierhandel. Das Ergebnis ist eine irritierende Verbindung von Fotografie und Skulptur: von den Fotos nimmt der Künstler Teile weg, ergänzt sie im Gegenzug aber auch mit Materialien wie Teer, Kaffee, Jod, getrocknetem Essen und Würmern, die er symmetrisch und bewusst anordnet.
In der Vergangenheit hat Capalino seine Bilder größtenteils von Möbelanzeigen aus dem Internet genommen. Diese Fotografien haben alle eines gemeinsam: es sind immer niedrig aufgelöste, anspruchslose JPGs, die Menschen zuhause mit minimalem Aufwand meist aus mehreren Blickwinkeln von ihren gebrauchten (Möbel-)Stücken gemacht haben, um sie zu verkaufen.
Sie sind langweilig und faszinierend zugleich, da sie die Allgegenwärtigkeit der Gegenstände, mit denen wir uns umgeben, schonungslos zeigen und gleichzeitig als voyeuristischer Schnappschuss visuellen Zugang zum Heim und den Besitztümern fremder Menschen gewähren. Sie sind oft das letzte Überbleibsel eines dekorativen Arrangements – quasi eine häusliche Totenmaske. Die übermäßige Präsenz von Blumenmustern in den abfotografierten Objekten führt zu der Frage, wie es sein kann, dass sich diese Verzierungen solch einer Beliebtheit erfreuen. Wenn Geburt, Hochzeit und der Tod die Anlässe im Leben sind, zu denen Blumen allgemeinhin kommerzialisiert werden, welche Bedeutung kann dann in dieser ästhetischen Absicht gesehen werden? Der nächste logische Schritt für Capalino war daher, diese breite Streuung sowohl der Blumenmuster als auch der Blumen selbst zu erfassen und zu untersuchen.
Der Titel Roses And Dreams geht zurück auf den Namen eines Rennpferdes, den Capalino seiner antiseptischen Anonymität wegen gewählt hat. Er oszilliert zwischen Banalität und Obszönität und ist sowohl eine Andeutung an die Blumenmuster in den Arbeiten als auch ein Ort der Sehnsucht – ob erfüllt oder unerfüllt – der greifbar wird in den Gegenständen, die wir in unserem Leben platzieren. Schlussendlich sind die Werke in Roses And Dreams Teil einer Art dekorativer Archäologie und teilweise – und hier kommen wir zurück auf Buffalo Bill – der Drang, tote Haut zum Tanzen zu bringen.