Zum Jahresausklang gibt sich 30works betont asiatisch – und präsentiert mit sushi connection eine neue Werkreihe der Hamburger Street Art-Ikone mittenimwald.
Schon seit Anbeginn seiner Karriere hat sich mittenimwald für die japanische Kultur interessiert. Dabei faszinierten den Künstler nicht nur die Historie und die Kalligraphie, sondern vor allem das dort vorherrschende Frauenbild. Seit Jahrhunderten definieren sich Nippons Töchter über den kulturellen Ritus des Verkleidens und Schminkens und damit des codierten Rollenspiels – angefangen bei den Geishas des 17. Jahrhunderts bis hin zum neuzeitlichen Animé- und Manga-Stil. Dabei haben diese Inszenierungen, entgegen westlicher Konnotationen, keinen sexuellen Hintergrund, sondern sind primär Ausdruck kultureller Identität und Expressivität. Die Kunst lag und liegt hier stets in der Verhüllung, nicht in der Entblößung. In der frei gewählten Subjekt-Behauptung, nicht in der fremdbestimmten Objektivierung. In Disziplin und Stolz, nicht im Überfluss und Exzess.
Die Kunst der Akribie
Dieser fernöstliche Frauentypus steht dem von Mode- und Werbekampagnen geschaffenen Frauenbild des Westens diametral gegenüber – und inspirierte mittenimwald, der als Art Director einst an der Schaffung genau dieses „je nackter, desto sexier, und damit konsumankurbelnder“ Frauentypus mitbeteiligt war, zur Ikonisierung der japanischen Frau.
Dabei bleibt mittenimwald der Street Art treu und inszeniert seine Heldinnen in klassischer Stencil-Manier. Die ihm typische Detailbesessenheit und Akkuratesse bei der Fertigung seiner Schablonen schwingt sich hier zu neuen Höhen auf: Jedes Haar, jede Wimper seiner Geishas, jeder Faltenwurf ihrer prachtvollen Kimonos wird sichtbar, bis hin zum aufwändigen Haarschmuck, dessen Blumenornamentik er fast exzessiv herausarbeitet. „Die letztendliche Fertigung, also das Sprühen, macht tatsächlich den kleinsten Part aus. Aber die Ideen- und Motivfindung, das Konzipieren der Schablonen, die dafür nötige Kopfarbeit, und schließlich das Schneiden, das Ausstanzen, Heraustrennen und Auslassen - das ist schon ein sehr langwieriger Reife- und Arbeitsprozess, den man zeitlich kaum bemessen kann.“, sagt mittenimwald.
Seine Virtuosität spinnt sich auch in den Bildhintergründen fort, wo mittenimwald japanische Schriftzeichen in grob-gepixelter Anmutung als futuristische Digital- Kalligraphien in Szene setzt oder Elemente japanischer Landschaftsmalerei zitiert. Mitunter finden sich auch Bezüge zu seiner berühmtem „Muertos“-Werkreihe – und so sind seine Geishas schon mal mit den Symboliken des mexikanischen Totenkults wie zugenähten Lippen und Blutmasken geschmückt.
Culture- und Mind-Clash
Seine neuzeitlichen Asia-Ladies versieht er mit westlichen Attributen des Punk und der Pop-Kultur. Selbstbewusst, stolz, fast schon rotzig geben sich seine Frauen. Wofür auch provokante Claims sorgen. So stellt er seiner langhaarigen, tiefdekolletierten „Aoi“ den Spruch „If you think I’m a bitch, you should meet my mother“ zur Seite. Und „Mei“, eine anmutige Figur im koketten, in Japan sehr verbreiteten Schulmädchen-Look fragt gespielt naiv: „Can I play with your mind?“
Das erscheint auf den ersten Blick provokant, offenbart jedoch bei näherer Betrachtung eine subversive Hintergründigkeit, an deren Ende die Frage steht: Wer betrachtet, analysiert und bewertet hier wen? Oder auch: Wer manipuliert hier wen? Der Betrachter das Bildmotiv und mithin die Frau? Oder ist es nicht doch umgekehrt...?
Mit dem Mechanismus der überhöhten motivischen Stilisierung bei gleichzeitiger Infragestellung des Bildinhalts konterkariert mittenimwald unsere gängige Werbe- und Werteästhetik. Und geriert sich damit einmal mehr als Meister der Suggestion. Wie bei einem Sushi besteht seine Kunst aus einer gelungenen Komposition einzelner Elemente. Wobei die Einzelzutaten nichts, ihre genau konzipierte, austarierte und strukturierte finale Anordnung jedoch alles ausmacht. sushi connection steht damit nicht nur für seine Bildsymbolik sondern auch für sein kompositorisches Selbstverständnis als Künstler.
mittenimwald lebt und arbeitet in Hamburg. Er gehört zum „Street Art-Adel“ der Hansestadt, wofür auch seine Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem legendären, 2014 unter tragischen Umständen verstorbenen OZ verantwortlich zeichnet. Seine Stencils, Paste-ups und Tags sind fester Bestandteil vieler deutscher Stadtbilder, allen voran natürlich seiner Heimat Hamburg, sowie auch zahlreicher privater Sammlungen in Europa, Asien und Mexiko. Seinem Erfolg in dem mittelamerikanischen Land zollte er 2014 mit seiner vielbeachteten Werkreihe „Mundo de los Muertos“ Tribut, in der er den mexikanischen Totenkult thematisiert. sushi connection ist seine erste Einzelausstellung bei 30works, wo mittenimwald von Anbeginn zum Stammportfolio zählt.